Containerschiff im Golf von Suez im Roten Meer

Weniger Schiffe im Suezkanal Huthi-Angriffe machen Ägypten Probleme

Stand: 22.06.2024 04:14 Uhr

Der Suezkanal ist nicht nur ein Nadelöhr der Weltwirtschaft, er ist auch eine wichtige Einnahmequelle für Ägypten. Doch durch die Angriffe der Huthi im Roten Meer bleiben die Schiffe aus - mit gravierenden Folgen.

Vollbeladen mit Taxis, Händlern und Besuchern pflügt die kleine Autofähre in der ägyptischen Küstenstadt Port Said durch das Hafenbecken. Sie kreuzt einmal quer den Suezkanal, der hier wenige hundert Meter stromabwärts ins Mittelmeer mündet. Die Sonne glitzert auf dem Wasser, am Ufer auf der anderen Stadtseite fischen einige Angler kleinere Brassen und Krebse aus dem Kanal. Ansonsten ist es ruhig auf dem Wasser - große Frachtschiffe sind nicht zu sehen.

Auf einer Parkbank an der Kaimauer des Kanals sitzt Fathi und blinzelt in die Sonne: "Der Kanal ist mein Zuhause, meine Liebe, mein Leben", sagt er. Jeden Tag komme er hier her, erzählt der Rentner, hier am Suez-Kanal sei der schönste Platz der Welt. Aber Schiffe beobachten kann er nicht mehr gut. "Wir haben bemerkt, dass es deutlich weniger Schiffe geworden sind. Eigentlich gehen hier die Frachter ein und aus, jetzt fahren sie einen anderen Weg und meiden das Rote Meer. Das betrifft uns sehr."

Schiffsverkehr dramatisch eingebrochen

Die Hafenstadt Port Said lebt unter anderem von den Schiffen des Suezkanals - wie eigentlich ganz Ägypten. Doch seit die Huthi aus dem Jemen Frachter im Roten Meer beschießen, um ihre Solidarität mit den Palästinensern in Gaza kundzutun, ist der Schiffsverkehr durch den Suezkanal dramatisch eingebrochen.

Viele Reedereien wählen nun aus Sicherheitsgründen die deutlich längere Route, vorbei an Afrika und dem Kap der guten Hoffnung. "Die Zahl der Schiffe nimmt jeden Tag ab, so der Chef der Suezkanal-Behörde, Usama Rabie, schon vor Monaten. "Das wirkt sich in hohem Maße negativ auf uns aus."

Einnahmen um 60 Prozent gesunken

Dem Suezkanal gehen die Schiffe aus: Die Einnahmen für die Passage sind mittlerweile um 60 Prozent zurückgegangen. Für das eh schon wirtschaftlich angeschlagene Ägypten eine Katastrophe. "Für Ägypten sind die Suezkanal-Einnahmen ein extrem wichtiger Devisenbringer", sagte Ägyptenexperte Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Und es ist ja nicht nur der eine Devisenbringer, der jetzt wegfällt - auch der Tourismus ist ja massiv eingebrochen durch den Krieg in Gaza. Zusammengenommen ist das eine große Belastung für den ägyptischen Staatshaushalt."

Rund zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr hat Ägypten zuletzt durch die Suez-Kanal-Gebühren eingenommen - jetzt tröpfelt deutlich weniger in die Staatskasse. Das hat die eh schon heftige Wirtschaftskrise im Land verschärft - vor wenigen Monaten stand Ägypten kurz vor der Zahlungsunfähigkeit - dann halfen die Vereinigten Arabischen Emirate aus, auch der Internationale Währungsfonds und die EU.

Doch wie lange das frische Geld reicht, ist unklar - und eine Entspannung der Welt- und Wirtschaftslage ist nicht in Sicht. Der Welthandelsorganisation WTO macht das Vorgehen der Huthi schon seit Monaten Sorgen. "Die Krise im Roten Meer beunruhigt uns sehr", so Ralph Ossa, Chefökonom der WTO, vor einigen Monaten. "Zwölf Prozent des Welthandels geht durch den Suezkanal sowie ein Drittel der Containerlieferungen von China nach Europa. Vor allem Europa ist stark abhängig vom Handel durch den Suezkanal und die USA teilweise auch."

Lebensmittelpreise steigen

Auch auf dem Fischmarkt von Port Said ist der Suezkanal ein Thema. Die Preise für Fische sind aufgrund der Wirtschaftskrise drastisch gestiegen, aus Empörung boykottierten die Bewohner Port Saids kurzzeitig sogar den Fischmarkt. Jetzt kommen die Käufer wieder, aber gut liefen die Geschäfte noch immer nicht, klagt Fischhändler Hassan. Und die Probleme mit dem Suezkanal setzten der Wirtschaft Ägyptens weiter zu.

"Wenn vorher zehn Schiffe durch den Kanal gefahren sind, sind es jetzt nur noch drei", sagt er. "Der Krieg im Gazastreifen hat dazu geführt, dass die Importe und Exporte zurückgegangen sind. Dieser Krieg hat uns psychisch und physisch geschädigt, aber vor allem finanziell. Es gibt Leute hier, die wegen der Wirtschaftskrise insolvent gegangen sind und ins Gefängnis mussten, weil sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten."

Regierung in Kairo zögerlich

Auch wenn insgesamt die Solidarität der Ägypterinnen und Ägypter mit den Palästinensern in Gaza groß ist - Verständnis für die Aktion der Huthi hat Hassan nicht: "Wer den Gazastreifen unterstützen will, soll dorthin gehen und dort kämpfen - wenn ich Fisch verkaufen will, mache ich mir ja auch die Hände schmutzig. Aber die Huthi machen nur Propaganda und sie treffen damit mich und meinen Lebensunterhalt."

Deutliche Worte, die man in der Politik vergebens sucht. Ägyptens Regierung ist zurückhaltend, wenn es darum geht, die Huthi offen zu kritisieren. Auch, weil das möglicherweise als Verrat an den Palästinensern in Gaza gewertet werden könnte.

Propaganda-Erfolge auf Kosten Ägyptens

Seit Monaten beschießen die Huthi Frachter im Roten Meer, um damit der internationalen Gemeinschaft Druck zu machen. Eine internationale Marineallianz versucht die Frachter zu schützen, doch immer wieder kommt es zu Zwischenfällen. Erst kürzlich ist wieder ein Schiff gesunken, ein anderes treibt - von der Crew aufgegeben - als Geisterschiff im Roten Meer.

Die Huthi fordern ein Ende des Krieges und der Blockade des Gazastreifens - und wollen ihre Angriffe fortsetzen. "Die Operationen sind in vollem Gange und werden weitereskaliert", erklärte kürzlich ein Huthi-Sprecher. "Die Gesamtzahl der Schiffe, die wir bislang angegriffen haben, hat sich auf rund 130 erhöht. Der Schiffsverkehr ist rückläufig."

Die Huthi feiern Propaganda-Erfolge - auch auf Kosten Ägyptens. Denn die Wirtschaftskrise des Landes wird durch die fehlenden Suezkanal-Einnahmen weiter verstärkt.

Am Mittelmeer-Horizont in Port Said ist ein Containerriese aufgetaucht. Er wartet vermutlich auf seine Durchfahrt durch den Suezkanal. Ob er sein Ziel, irgendwo in Asien, ohne Zwischenfälle erreichen wird? Momentan kann das wohl niemand sicher sagen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Juni 2024 um 06:22 Uhr.