Proteste in Istanbul gegen die Verhaftung von Imamoglu
Player: videoMarkus Rosch, ARD Istanbul, zur Lage in der Türkei und über Proteste gegen Erdogan

İmamoğlus Festnahme Türkische Polizei geht gegen Proteste vor

Stand: 20.03.2025 21:47 Uhr

Erneut haben Tausende Türken gegen die Festnahme des Oppositionsführers İmamoğlu protestiert. Dessen Partei rief zu landesweiten Demonstrationen auf. Die Polizei ging mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Menschen vor.

Nach der Festnahme des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu nehmen die Proteste gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu. Die Oppositionspartei CHP hatte zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen.

In Istanbul versammelten sich Tausende Menschen vor dem Rathaus der Stadt. Wie die Nachrichtenagentur AFP meldet, ging die Polizei mit Gummigeschossen und Tränengas gegen Teilnehmer der Demonstration vor. Polizisten versuchten laut Berichten, Protestierende vom Taksim-Platz fernzuhalten, der 2013 der zentrale Ort von Protesten gegen Erdoğan war. 

Vor Ort protestierte der Chef der CHP und Parteifreund İmamoğlus, Özgür Özel, scharf gegen das Vorgehen der Polizei. "Wer seid ihr, dass ihr die Hoffnung der Türkei mit Tränengas besprüht?", rief er den Beamten zu. In Ankara setzte die Polizei Tränengas ein, um Studenten daran zu hindern, eine Hauptstraße entlang zu marschieren.

Tausende protestieren in mehreren Städten

Bereits am Mittwoch waren in Istanbul, Ankara und anderen Städten Tausende Menschen Aufrufen zu Protesten gefolgt. Von einem hohem Polizeiaufgebot begleitet demonstrierten sie etwa vor der Istanbuler Stadtverwaltung und dem Polizeipräsidium. Die Menge forderte Erdoğan zum Rücktritt auf und warf ihm vor, durch die Festnahme seinen größten Rivalen ausschalten zu wollen. Am Rande der Proteste kam es laut Medien in Istanbul zu Ausschreitungen und Festnahmen.

Erdoğan wiederum warf der Opposition vor, die Nation zu täuschen. "Die Bemühungen der Opposition, ihre Probleme mit dem Gesetz als das wichtigste Problem des Landes darzustellen, sind der Gipfel der Heuchelei", sagte Erdogan laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Er habe keine Zeit mit der Opposition zu verschwenden.

Player: videoKatharina Willinger, ARD Istanbul, zu den Protesten gegen Erdogan

Katharina Willinger, ARD Istanbul, zu den Protesten gegen Erdogan

tagesschau24, 20.03.2025 18:00 Uhr

İmamoğlu appelliert an Justiz

Zuvor hatte sich İmamoğlu mit einem öffentlichen Appell an die türkischen Staatsanwälte und Richter gewandt. In einem Post auf der Plattform X schrieb der CHP-Politiker, er appelliere an alle moralischen Mitglieder der Judikative.

Die "Zehntausenden ehrenwerten Juristen" sollten sich gegen die "Handvoll" ihrer Kolleginnen und Kollegen stellen, die den Ruf der Türkei beschmutzten. Er vertraue der türkischen Justiz. "Sie können und dürfen nicht schweigen."

Auch für die Mitglieder von Erdoğans Partei AKP hatte er eine Botschaft: "Es ist an der Zeit, dass Sie Ihre Stimmen erheben." Selbst wenn die AKP-Politiker nicht selbst betroffen seien, sollten sie zum Wohle des Landes widersprechen.

Festnahme vor Wahl zum Spitzenkandidaten

Seit Mittwoch befindet sich der als Hoffnungsträger der Opposition gehandelte Politiker in Polizeigewahrsam. Er stehe unter Terror- und Korruptionsverdacht, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Sein Bauunternehmen wurde beschlagnahmt. Auch gegen 106 weitere Personen aus İmamoğlus Umfeld wird ermittelt, mindestens 87 Personen wurden festgenommen. Darunter sind auch zwei Istanbuler Gemeindebürgermeister.

Der Istanbuler Oberbürgermeister ist äußerst beliebt - nicht nur bei Anhängern der kemalistischen CHP. Auch aus der eher religiös-konservativen Wählerschaft der AKP bekommt der Sozialdemokrat Zuspruch. Am Sonntag sollte er eigentlich zum Spitzenkandidaten der CHP für die nächste Präsidentschaftswahl 2028 ernannt werden. Umfragen zufolge hätte er gute Chancen auf einen Erfolg.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. März 2025 um 20:00 Uhr.