iPhone-Produktion in Indien "Die Zwangsarbeit beenden"
Apple verlagert die Produktion der iPhones zunehmend nach Indien. Auch das neue iPhone 14 soll dort von Zulieferer Foxconn hergestellt werden. Arbeiterinnen und Gewerkschafter berichten von extremen Bedingungen.
"Weg mit der Polizei!" riefen tausende Frauen, die auf Aufnahmen von Mitte Dezember zu sehen sind - Arbeiterinnen von Apple-Zulieferer Foxconn. Sie blockierten damals eine Autobahn zwischen Chennai und Bangalore in Südindiens wichtigster Industrie-Zone im Bundesstaat Tamil Nadu. Der Verkehr war stundenlang lahmgelegt, und die Arbeiterinnen bekamen endlich Aufmerksamkeit, von der lokalen Politik bis hin zu Apple in den USA.
Die damaligen Proteste hatten ihren Grund: Mehr als 250 Frauen hatten plötzlich Magenbeschwerden und mussten teilweise im Krankenhaus versorgt werden.
"Niemand konnte uns sagen, was wir hatten", erzählt eine Arbeiterin, die hier Abi genannt werden soll, rückblickend. "Als wir nachgefragt haben, hieß es, es sei eine Lebensmittelvergiftung."
Auch die Arbeiterinnen bei Foxconn nutzen Smartphones - allerdings keine iPhones.
Spärliche Unterbringung
Abi hat einem Interview zugestimmt, aber nur wenn sie anonym bleiben kann. Sie hat einige Kolleginnen mitgebracht, junge Frauen Anfang 20. Sie sitzen im Halbkreis. Die meisten halten ein Smartphone in den Händen. Abi erzählt von der spärlichen Unterkunft in ehemaligen Studentenwohnheimen.
Vor dem Vorfall, berichtet sie, hätten sie auf dem Boden geschlafen, ohne alles. Jetzt hätten sie "ein Bett, Laken und Kissen. Das ist in Ordnung."
Doch an der Zahl der Bewohnerinnen habe sich nichts geändert. Bis zu zehn Frauen teilten sich ein Zimmer, schliefen jetzt in Stockbetten. Inzwischen gebe es fließendes Wasser. Vorher hätten sich die Frauen immer aus einem Wassertank vor dem Haus versorgen müssen.
Abi meint, das Essen sei immer noch schlecht. Deshalb würden die Arbeiterinnen manchmal die Mahlzeit ausfallen lassen und so zur Arbeit gehen - daran habe sich nicht geändert. Dabei sei Essen doch ein Grundbedürfnis: "Wenn das Essen nicht in Ordnung ist, wie sollen wir dann arbeiten?"
Arbeiterinnen kennen Rechte nicht
Foxconn hat auf Nachfragen des ARD-Studios Neu-Delhi nicht reagiert. Die taiwanesische Firma gilt als weltweit größter Hersteller für Elektronikteile. Mehr als 5000 Frauen bauen für den Apple-Zulieferer das iPhone 12 und 13 zusammen - in einem Vorort von Chennai im Südosten Indiens, einem Standort vieler internationaler Firmen. Bald soll das iPhone 14 folgen.
Die Arbeiterinnen sind meist junge Frauen aus ländlichen Regionen, angeworben von Subunternehmen. Oft sind sie die ersten ihrer Familie mit einem Job in einer Fabrik, ihre Rechte kennen sie nicht. Sie arbeiten acht Stunden am Tag, verteilt auf drei Schichten, sechs Tage die Woche, sagt Abi in gebrochenem Englisch.
Die Frauen bekommen den Mindestlohn von umgerechnet etwa 170 Euro im Monat, ein Basisbetrag für Sozialversicherung und Transport wird abgezogen. Seit den Protesten bezahlt Foxconn etwas mehr - für Unterbringung und Verpflegung.
Kannan Soundarrajan, stellvertretender Generalsekretär der Gewerkschaft von Tamil Nadu, meint: Die Behörden nähmen Ausbeutung der Arbeiterinnen bei ausländischen Firmen in Kauf.
Langer Weg zur Arbeit
Laut einer lokalen Gewerkschaft bringt Foxconn sie zu Unterkünften bis zu 60 Kilometer entfernt von der Fabrik, bewacht von Sicherheitsleuten. Abi bestätigt das. Das bedeute, dass viele Arbeiterinnen "bis zu zwei Stunden" zum Arbeitsplatz pendeln und zu wenig Schlaf bekämen. Es wäre besser, wenn die Herbergen in der Nähe der Fabrik wären, meint sie.
Genau das fordert auch die lokale Gewerkschaft CITU. Kannan Soundarrajan, stellvertretender Generalsekretär, spricht von Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeiterinnen durch Foxconn. Die Regierung der Bundesstaats Tamil Nadu habe bis zu den Protesten nicht genug kontrolliert.
Dabei sieht eine spezielle Verordnungen genau solche Sicherheitsmaßnahmen wie regelmäßige Kontrolle der Unterbringung und Verpflegung vor.
Gewerkschaft fordert bessere Verträge
Die Regierung, fordert der Gewerkschafter, sollte die notwendigen Schritte unternehmen, "um diese Zwangsarbeit zu beenden". Die Arbeiterinnen müssten in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen werden, damit sie auch Bonuszahlungen bekämen und sozialversichert seien. Denn das sei in ihrem Vertrag nicht vorgesehen - ihnen könne jederzeit gekündigt werden.
Soundarrajan sieht dahinter die neoliberale Politik der Zentralregierung unter Premierminister Modi: Durch seine Initiative "Make in India", die zum Beispiel etwa Steuer-Vergünstigungen biete, ziehe er Firmen aus aller Welt an. Ausländische Investitionen seien wünschenswert, aber oft hielten sich Firmen nicht an indisches Arbeitsrecht - und die Behörden ließen sie gewähren.
"Es geht vor allem um immer mehr Profit", konstatiert Soundarrajan. "Wir brauchen Beschäftigung, sie brauchen Gewinn. Das ist rechtens. Sie dürfen aber nicht mehr ausbeuten, als sie geben."
Industrieverband lobt die Politik
Nach Ansicht von Pankaj Mohindroo, Präsident des indischen Verbands für Mobilfunk, hat die Regierung von Tamil Nadu nach den Protesten bei Foxconn schnell reagiert und die Situation für Arbeiterinnen verbessert. Es sei wichtig, "sensibel" auf die Bedürfnisse insbesondere der weiblichen Arbeitskräfte einzugehen: "Wir brauchen noch mehr von ihnen, besonders in der Elektronik-Produktion."
Denn der Markt für Smartphone-Produktion und damit die Nachfrage nach mehr Arbeiterinnen werde schnell ansteigen, prognostiziert der Experte. Für Indien sei es ein wichtiger Schritt, eine so erfolgreiche Firma wie Apple anzuwerben - gerade im Wettbewerb mit China. Dass Apple in Indien produzieren lässt, nennt Mohindroo "ein Privileg". Ebenso wie den Umstand, dass die Produktion in den vergangenen Jahren aufgestockt wurde.
Pankaj Mohindroo, der Verbandspräsident für Indiens Mobilfunk-Industrie, macht der Regierung keine Vorwürfe: Sie habe im Bundesstaat Tamil Nadu schnell auf die Missstände reagiert.
Ein Markt mit Potenzial
Noch exportiert das US-Unternehmen das iPhone vor allem in andere Länder. Aktuell besitzen 850 Millionen Inderinnen und Inder ein Smartphone, davon nutzen etwa drei Prozent ein iPhone. Doch bald könnte der Verkauf auch im Inland steigen.
Foxconn-Arbeiterin Abi und ihre Kolleginnen fordern, dass sie für ihre Arbeit mit Respekt behandelt werden. Dabei gehe es vor allem um ihre Gesundheit. "Wir werden nur arbeiten können, wenn es uns gut geht", sagen sie und berichten, dass jeden Monat eine Arbeiterin in Ohnmacht falle. Wenn aber die Verpflegung und die Unterbringung in Ordnung seien, "wird sich der Rest von selbst ergeben." Und mehr erwarteten sie nicht.