Boykott in Indien Parlamentsgebäude ohne Opposition eingeweiht
In seltener Einigkeit hat die indische Opposition die Zeremonie zur Einweihung eines Parlamentsgebäudes in Neu-Delhi boykottiert. Sie wirft Premier Modi vor, die Demokratie zu missachten.
In Indien ist es bei der Einweihung eines neuen Parlamentsgebäudes zu einem Eklat gekommen: Die wichtigsten Oppositionsparteien des Landes boykottierten die Veranstaltung aus Protest gegen Premierminister Narendra Modi und dessen hindu-nationalistische Regierungspartei.
Modi weihte das neue, dreieckige Gebäude, dessen Baukosten auf 120 Millionen Dollar geschätzt werden, mit dem Sprechen von Gebeten ein. Hindu-Priester sangen währenddessen zu Beginn der Zeremonie religiöse Hymnen. In seiner Ansprache bezeichnete der hindu-nationalistische Premierminister Indien als "Mutter der Demokratie". "Mehrere Jahre der Fremdherrschaft haben uns unseren Stolz gestohlen. Heute hat Indien diese koloniale Denkweise hinter sich gelassen", sagte Modi, der mit seiner Partei seit Jahren an der Macht ist und bei der Parlamentswahl im Mai 2024 eine dritte Amtszeit anstrebt.
"Schwere Beleidigung" für die Demokratie
Die Oppositionsparteien kritisierten die Veranstaltung in einem offenen Brief und betonten, der Premierminister habe Präsident Droupadi Murmu ins Abseits gedrängt. Der Präsident hat in Indien zwar nur zeremonielle Befugnisse, ist aber das Staatsoberhaupt und die höchste verfassungsmäßige Autorität. "Das Parlament ist die Stimme des Volkes. Der Premierminister betrachtet die Einweihung des Parlamentsgebäudes als Krönung", kritisierte etwa der ehemalige Präsident der oppositionellen Kongresspartei, Rahul Gandhi, auf Twitter.
Mindestens 19 Oppositionsparteien blieben der Veranstaltung fern, die mit dem Geburtstag eines Ideologen des Hindu-Nationalismus zusammenfiel. Modis "Entscheidung, das Gebäude selbst einzuweihen", stelle eine "schwere Beleidigung" für die indische Demokratie dar, teilten die Oppositionsparteien mit. Aus dem Parlament werde "die Seele der Demokratie" herausgesaugt, hieß es. Indiens mächtiger Innenminister Amit Shah sprach hingegen von einer "Beleidigung für den Premierminister".
Britische Architektur muss weichen
Das Parlamentsgebäude ist Teil eines milliardenschweren Umbaus von Büros und Wohnhäusern aus der britischen Ära im Zentrum Neu Delhis, der auch Modis neue Privatresidenz umfasst. Architektonische Grundlage sind die indische Kultur, Tradition und Symbole. Das Neubauprojekt zielt darauf ab, die Prominenz opulenter Machtarchitektur der britischen Kolonialzeit durch Gebäude mit einer ausgeprägten indischen Identität zu übertrumpfen.
Es war 2019 angekündigt worden; im Dezember 2020 legte Modi den Grundstein. Der Plan wurde von Oppositionspolitikern, Architekten und Denkmalschutzexperten heftig kritisiert. Viele von ihnen bezeichneten ihn als ökologisch unverantwortlich, als Gefahr für das kulturelle Erbe und als zu teuer.