Indiens neue Präsidentin Murmu Eine "Inspiration" für ihr Volk
Draupadi Murmu hat heute ihren Amtseid geschworen - als erste Indigene und zweite Frau ist sie nun Indiens Präsidentin. Ihr Posten hat vor allem Symbolcharakter, doch Murmus Aufstieg ist beachtlich.
Menschen in der Hauptstadt Neu-Delhi, aber auch in den Dörfern im Osten Indiens halten ihr Foto hoch, tanzen und trommeln: Sie feiern ihre neue Präsidentin Draupadi Murmu, die heute vereidigt worden ist. Vor 64 Jahren wurde die Tochter eines Dorfvorstehers im Bundesstaat Odisha geboren und sagt über sich selbst: "Ich bin die Stammesführerin von einem sehr abgelegenen Dorf. Ich gehöre zu dem Volk der Santhal, eines der größten indigenen Stämme von Indien." Alleine ihre Nominierung zur Präsidentin sei ja schon "der Beweis für soziale Gerechtigkeit und die Förderung von Frauen", sagte sie noch vor ihrer Wahl.
Als Murmu noch ein kleines Mädchen war, so heißt es, habe ihr Vater Biranchi Narayan Tudu sie eines Tages in die nächstgrößere Stadt Rairangpur mitgenommen, in der ein Minister zu Besuch war. Murmu soll einfach auf die Bühne gelaufen sein und ihm gesagt haben, dass sie in der Provinzhauptstadt zur höheren Schule gehen wolle. Der Minister sei so begeistert von der Aktion gewesen, dass ein Schulplatz für sie organisiert worden sei.
Ihre Tochter Itishri Murmu erzählt in einem Interview mit einem indischen Fernsehsender: "Es gab noch keine Straßen dorthin, es war mühsam für sie. Sie war so arm, dass meine Familie die Kosten für die Schule kaum aufbringen konnte. Ein Verwandter hat ihr dann geholfen und sie hat sowohl ihren Schulabschluss als auch ihr College erfolgreich abschließen können."
Draupadi Murmu soll sich das Recht auf Schulbesuch als kleines Mädchen selbst durchgesetzt haben.
Eine Wahl mit Symbolkraft
Bis heute leben viele Indigene in Indien in völliger Armut, rund 40 Prozent von ihnen können weder lesen noch schreiben. Dabei gibt es rund 100 Millionen Menschen von verschiedenen Stämmen. Indiens Indigene machen ein Drittel aller indigenen Völker auf der ganzen Welt aus. Murmus Wahl zur Präsidentin sei ein Zeichen dafür, dass auch arme Menschen in Indien ihre Träume erfüllen könnten, meint Shubranshu Choudhary, der sich für die Rechte Indigener in Indien einsetzt. Zwar habe ihre Ernennung vor allem symbolischen Wert.
Dennoch: Es ist schon gut, sie ist von einem indigenen Stamm und sie ist eine Frau. Leider stehen die noch auf der letzten Stufe in unserer Gesellschaft.
Murmu hatte viele Jahre als Lehrerin gearbeitet, soll aber abgelehnt haben, einen Lohn zu erhalten. Sie habe ihren Job als Dienst an der Allgemeinheit verstanden. Vor 25 Jahren stieg sie dann in die Politik ein: Sie wurde zur Stadträtin gewählt in Rairangpur - der Stadt, in der sie als Kind zum Minister auf die Bühne gestiegen war.
Kritik an Regierungspartei BJP
Im Jahr 2009 nahm ihr Leben eine tragische Wende: Binnen weniger Jahre starben ihr ältester Sohn, ihr Ehemann und der zweite Sohn. Dennoch kämpfte sie sich zurück ins Leben und wurde die erste Frau, die als Gouverneurin den Bundestaat Jarkhand regierte.
"Für unser Volk ist sie eine Inspiration", sagt ihre Tochter Itishri, die ihre Mutter immer unterstützt hat. "Wenn sie durch harte Arbeit und Hingabe bis ganz nach oben gekommen ist, werden auch andere Frauen von uns sich dieses Ziel setzen."
Es gibt aber auch Kritik an der Wahl. Die Regierungspartei BJP von Ministerpräsident Narendra Modi habe Draupadi Murmu nur aufgestellt, um mehr Stimmen aus der indigenen Gemeinschaft zu erhalten und Wahlen in ihrem Bundesstaat zu gewinnen, heißt es - Murmu werde als Feigenblatt genutzt, um vorzugaukeln, dass nun mehr für die Indigenen im Land getan werde. Denn ähnlich wie der Bundespräsident in Deutschland hat auch der Präsident oder die Präsidentin von Indien eher repräsentative Aufgaben. Dennoch: Murmu hat sich ihr Leben lang für die marginalisierten Menschen in Indien eingesetzt und will das auch weiterhin tun.