Iran-Atomgespräche Auf der Zielgeraden?
Die Verhandlungen über das Atomabkommen mit dem Iran könnten schon bald zu einer Einigung führen. Doch welche Folgen hat der Krieg in der Ukraine auf die Gespräche?
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi sieht in einer NATO-Osterweiterung eine Bedrohung und zeigt Verständnis für Russlands Angriff auf die Ukraine. Und sein Außenminister Hossein Amirabdollahian twittert, der Westen habe ihn provoziert.
Teheran positioniert sich in einer Zeit, in der viele erwarten, dass sich die verbliebenen Partner des Atomabkommens sehr bald bei den Gesprächen in Wien einigen, vielleicht schon heute. Da sitzt auch Russland mit am Tisch. Inwieweit sich der Krieg in der Ukraine auf eine schnelle Einigung auswirkt, darüber gibt es unterschiedliche Spekulationen.
Verhandlungen seit April
Seit April vergangenen Jahres wird in Wien verhandelt, erst mit der alten Regierung unter Präsident Hassan Rouhani, nach einer längeren Unterbrechung dann seit Ende November unter der neuen von Embrahim Raisi. Immer wieder war von einer Zielgeraden die Rede. Diesmal könnte es aber tatsächlich so weit sein.
Außenminister Hossein Amirabdollahian sagte in einem Interview beim amerikanischen Fernsehender CNN vor wenigen Tagen, man sei noch nie so nah an einer guten Einigung gewesen. Bei einer Pressekonferenz in Teheran legte er kurz darauf noch mal nach: "Wir sind optimistisch in Bezug auf die Wiener Gespräche", sagte er, "und wir hoffen, dass die wenigen wichtigen sensiblen Fragen, die noch übrig sind, in den kommenden Tagen mit einer realistischen Sicht des Westens gelöst werden."
Welche sensiblen Fragen er meint, erklärt der Teheraner Politikwissenschaftler Ali Bigdeli: "Irans drei Forderungen nach Aufhebung der Sanktionen, deren Überprüfung und nach einer Garantie", sagt er. "Das ist die rote Linie."
Die rote Linie
Amirabdollahian spricht fast in jedem Interview von dieser roten Linie. Es reicht Teheran nicht, dass Washington die Sanktionen aufhebt. Das und auch der Effekt sollen überprüft werden. Der Iran will vor allem wieder Öl exportieren. Außerdem soll Washington garantieren, dass nicht eine Regierung nach Biden wieder aus dem Abkommen aussteigt - es dürften die größten Hürden sein, die noch zu nehmen sind.
Als Zeichen des guten Willens, und um Vertrauen aufzubauen, verlangt Teheran auch, eingefrorene Gelder unter anderem in Südkorea freizugeben. Angeblich würde dieser Punkt schon in einem Entwurf für eine Einigung stehen. Auch beim Thema Gefangenenaustausch scheint man weit gekommen zu sein.
Einige Beobachter werten es als positives Zeichen, dass Irans Chefunterhändler in Wien, Ali Bagheri, diese Woche zurück nach Teheran geflogen ist, möglicherweise um sich ein endgültiges Go für eine Unterschrift zu holen. Bigdeli sieht das anders: "Was für die Medien wichtig war, war die übereilte Rückkehr von Herrn Bagheri in den Iran", sagte er. "Und das deutet darauf hin, dass die Verhandlungen wieder auf Schwierigkeiten oder Blockaden gestoßen sind."
Wird Einigung hinausgezögert?
Der russische Angriff auf die Ukraine dürfte sich auch auf die Atomgespräche in Wien auswirken. Nur wie? Auch da sind sich Experten nicht einig. Einige loben Moskau, man arbeite unabhängig von der Ukraine-Krise aktiv und kooperativ zusammen. Der Teheraner Politikwissenschaftler Bigdeli hält es dagegen für möglich, dass Moskau versucht, eine Einigung hinauszuzögern, um Druck auf den Westen auszuüben. Unterdessen bietet sich Teheran schon mal als Alternative für Gas- und Öllieferungen an. Der Ölminister weist beim Gipfel der gasexportierenden Länder diese Woche auf die Kapazitäten des Iran hin.
Eine weitere Frage stellt sich durch den Ukraine-Krieg neu: Wohin mit dem Uran, das Teheran oberhalb der Grenzwerte angereichert hat? Ein Plan sieht eigentlich vor, es nach Russland zu exportieren, ein anderer es unter internationaler Aufsicht im Land zu belassen. Das wäre dem Obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei wohl am liebsten. Er erklärt in einer Rede: "Die Welt wird immer abhängiger von der Kernenergie. Und früher oder später werden auch wir dringend friedliche Kernenergie brauchen. Wenn wir nicht heute daran denken, wird es morgen zu spät sein, und wir werden mit leeren Händen dastehen."
Katastrophale Zahlen
Vor allem Israel nimmt dem Iran nicht ab, dass sein Atomprogramm rein friedlichen Zwecken dienen soll. Dort ist man überzeugt, Teheran baut an der Bombe, stellt sich aber trotzdem darauf ein, dass es in Wien bald eine Einigung gibt. Darauf setzen vor allem viele Iraner.
Die US-Sanktionen machen internationale Geschäfte so gut wie unmöglich, beispielsweise mit den berühmten Perser-Teppichen. "Tatsächlich kann man sagen, dass Statistiken über den Export iranischer Teppiche, die in den letzten Monaten veröffentlicht wurden, die katastrophalsten Zahlen zeigen, die man sich vorstellen kann", sagt der Teheraner Experte Turaj Zhuleh.
Aber die Iraner hoffen wieder, das ist im Land zu spüren, auf eine Einigung in Wien und ein Ende der Sanktionen, damit es endlich wieder wirtschaftlich aufwärts geht. Unter diesem wirtschaftlichen Druck verhandelt die iranische Regierung in Wien. Der iranische Außenminister warnt im CNN-Interview aber auch, die USA und die europäischen Partner im Abkommen müssten in den Atomgesprächen realistisch agieren. Sonst seien sie dafür verantwortlich, wenn sie scheitern.