Proteste im Iran Guterres fordert Verzicht auf Gewalt
UN-Generalsekretär Guterres hat die iranischen Sicherheitskräfte aufgefordert, keine unverhältnismäßige Gewalt anzuwenden. Die Organisation UN Women sagte den Frauen im Land ihre Unterstützung zu. Heute berät auch der Bundestag zur Lage.
Wegen der anhaltenden gewaltvollen Auseinandersetzungen im Iran hat UN-Generalsekretär António Guterres die staatlichen Sicherheitskräften aufgefordert, auf unverhältnismäßige Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten zu verzichten. Das habe Guterres in der vergangenen Woche auch bei einem Treffen mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi am Rande der UN-Generalversammlung zum Ausdruck gebracht, sagte sein Sprecher.
"Wir sind zunehmend besorgt über Berichte über einen Anstieg der Todesfälle im Zusammenhang mit den Protesten, darunter Frauen und Kinder", so der Sprecher. Guterres appelliere an alle, äußerste Zurückhaltung zu üben, um eine weitere Eskalation zu vermeiden.
Mehr als 40 Tote
Seit die Proteste im Iran vor rund eineinhalb Wochen begannen, sind iranischen Staatsmedien zufolge mehr als 40 Menschen getötet worden. Menschenrechtsorganisationen befürchten aber eine viel höhere Zahl an Todesopfern.
Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleiderordnung festgenommen worden war. Sie starb am 16. September. Viele im Iran sprechen von Polizeigewalt, die Behörden weisen das jedoch entschieden zurück. Guterres forderte seinem Sprecher zufolge auch eine "rasche, unabhängige und effektive Untersuchung" von Aminis Tod.
Iranische Kritikerin festgenommen
Wegen ihrer Unterstützung der Proteste hat der Sicherheitsdienst nun auch die ehemalige Abgeordnete und Frauensportfunktionärin Faeseh Haschemi festgenommen. Sie hatte der Nachrichtenagentur Tasnim zufolge versucht, Frauen zu ermutigen, an den Protesten teilzunehmen. Derzeit gilt das als Straftat im Iran.
Haschemi gehört schon lange zu den Kritikern des islamischen Systems und steht deshalb auch auf einer sogenannten schwarzen Liste. Sie wurde bereits mehrmals festgenommen. Hashemi setzt sich unter anderem gegen den Zwang zum Kopftuch ein, trägt aber selbst eines.
Die 59-Jährige ist die Tochter des einflussreichen früheren iranischen Präsidenten Ali Akbar Haschemi-Rafsandschani. Sie war Herausgeberin der Tageszeitung "San", die 1999 wegen ihrer feministischen Ansichten schließen musste.
UN Women: Frauen müssen demonstrieren dürfen
Die UN-Frauenorganisation UN Women sagte den Demonstrantinnen im Iran ihre Unterstützung zu. Die iranischen Frauen müssten demonstrieren dürfen, ohne Repressalien ausgesetzt zu werden.
"Wir fordern die zuständigen Behörden auf, die Ausübung der kompletten Menschenrechte in einem sicheren Umfeld ohne Angst vor Gewalt, Anklage oder Verfolgung zu unterstützen und zu ermöglichen", hieß es in einer in der Nacht veröffentlichten Mitteilung. Die Frauen im Iran hätten ein Recht auf körperliche Autonomie. Das beinhalte auch die Wahl ihrer Kleidung.
Auch UN Women forderte die iranischen Behörden auf, Aminis Tod unabhängig, unparteiisch und unverzüglich zu untersuchen. Die Ergebnisse müssten veröffentlicht und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.
Zentralrat der Muslime verurteilt Gewalt
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat die Gewalt gegenüber den Demonstrantinnen ebenso verurteilt. "Viele deutsche Muslime haben großen Respekt vor dem Mut der protestierenden Frauen auf iranischen Straßen", sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Sie bangen um Demonstrantinnen und Demonstranten, die brutal von iranischen Sicherheitskräften niedergeknüppelt werden."
Mazyek warnte aber auch davor, dass die Proteste im Iran in Deutschland dazu genutzt werden könnten, "erneut das Feindbild Muslime zu schüren und so Zwietracht zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu säen". Er nannte einen Farbanschlag auf eine Moschee in Hamburg als Beispiel. Bei dem Angriff am Wochenende wurde ein 71-Jähriger leicht verletzt.
Debatte im Bundestag
Grünen-Chef Omid Nouripour forderte die Europäische Union zu neuen Sanktionen gegen Vertreter der iranischen Führung auf. "Die EU muss ihre Sanktionen gegen den Iran ausweiten", sagte Nouripour dem "Spiegel". Er verlangte personenbezogene Sanktionen: "Beispielsweise könnten jene, die für die Niederschlagung der Proteste verantwortlich sind, persönlich belangt werden, unabhängig von ihrem Rang." Es sei nicht hinnehmbar, dass Vertreter der iranischen Elite ihre Kinder zum Studieren auf europäische Elite-Universitäten schickten. "Das muss aufhören."
Auf Verlangen der Regierungsfraktionen SPD, FDP und Grüne sollen sich nun auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestags mit der Lage im Iran auseinandersetzen. Die Debatte ist für den Nachmittag anberaumt.