Proteste im Iran Weitere Behörde verkündet Ende der Sittenpolizei
Auch die "Tugendbehörde" des Iran spricht nun von einem Ende der Sittenpolizei, doch Zweifel bleiben. Das Regime verhängte wegen der Demonstrationen weitere Todesurteile. Dennoch gingen Menschen wieder auf die Straße.
Im Iran hat eine weitere Behörde von einem Ende der Aktivitäten der Sittenpolizei gesprochen. "Die Einsätze der Sittenpolizei wurden auf Anweisung der Staatsanwaltschaft eingestellt", sagte Ali Chanmohammadi, der Sprecher der Zentrale für die Förderung der Tugend und der Verhütung des Lasters, wie das Nachrichtenportal Entekhab berichtete. Die Sittenpolizei setzte bislang die strengen Moral- und Verhaltensvorschriften im Iran um, die von der Tugendzentrale festgelegt wurden.
Zuvor hatte bereits der Generalstaatsanwalt des Iran, Mohammed Dschafa Montaseri, vom Ende der Sittenpolizei gesprochen. Die Ankündigung wurde aber unter Aktivisten und Beobachtern skeptisch aufgefasst und ein Ablenkungsmanöver vermutet.
Zum einen erklärten iranische Experten, dass nur das Innenministerium so eine Entscheidung treffen könne, zum anderen gingen Aktivisten davon aus, dass eine andere Behörde die Aktivitäten der Sittenpolizei fortsetzen werde. Auch Montaseri selbst hatte gesagt, dass sich die Justiz weiter mit dem Verhalten der Gesellschaft auseinandersetzen werde, also auch etwa die Kopftuchpflicht weiter kontrolliert würde.
Proteste gehen weiter
Das Vorgehen der Sittenpolizei war Auslöser für die mittlerweile mehr als zwei Monate andauernden Proteste. Mitte September verhafteten die islamischen Sittenwächter die 22-jährige Mahsa Amini, weil unter ihrem Kopftuch angeblich ein paar Haarsträhnen hervorgetreten waren. Amini starb wenige Tage später im Gewahrsam der Sittenpolizei.
Seitdem fordern die Demonstrantinnen und Demonstranten ein Ende der Kleidervorschriften und vielfach auch das Ende des islamistischen Regimes. Menschenrechtler gehen davon aus, dass mittlerweile mehr als 18.000 Menschen verhaftet und mindestens 470 getötet wurden.
Auch am Dienstag gingen die Demonstrationen Aktivisten und Augenzuegen zufolge weiter. Auf den Straßen der Hauptstadt Teheran riefen die Demonstranten demnach "Tod dem Diktator" und "Islamische Republik wollen wir nicht (mehr)". Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gab es zunächst nicht. Seit Montag gilt zudem ein Aufruf zu einem dreitägigen Generalstreik, um das Regime wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Zwar gibt es in Sozialen Medien zahlreiche Aufnahmen von geschlossenen Geschäften, aber dennoch kaum verlässliche Informationen, wie viele dem Streikaufruf folgen.
Angebliche Verbindungen nach Europa
Die Führung in Teheran beschuldigt das Ausland, darunter auch Deutschland, die Proteste zu befeuern und zu organisieren. Die Revolutionsgarden nahmen zwölf Menschen fest, denen angebliche Verbindungen nach Europa und die Planung von Sabotageakten vorgeworfen wird. Die Festgenommenen hätten "unter der Führung gegenrevolutionärer Akteure aus Deutschland und den Niederlanden" gestanden und "Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit" ausgeführt, berichtete die regierungsnahe Nachrichtenagentur Tasnim mit Verweis auf eine Erklärung der Revolutionsgarden. Demnach habe die Gruppe versucht, sich Waffen für "subversive Handlungen" zu beschaffen.
Weitere Todesurteile verhängt
Zudem verurteilte die Justiz weitere fünf Menschen zum Tode. Ihnen werde der Tod eines Sicherheitsbeamten vorgeworfen, berichtete die Nachrichtenagentur Isna. Elf weitere, darunter drei Demonstranten unter 18 Jahren, seien zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie an dem Vorfall beteiligt gewesen sein sollen. Gegen die Todesurteile könne Berufung eingelegt werden, hieß es weiter.
Am Montag hatte der Justizchef des Iran, Gholam-Hussein Mohseni-Edscheh, einem Bericht des Nachrichtenportals Etemad zufolge angekündigt, die ersten Urteile gegen Demonstranten würden bald vollstreckt. Mehrere Entscheidungen seien bereits vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden, dabei gehe es auch um Todesurteile, die wegen "Moharabeh" - "Krieg gegen Gott" - verhängt worden seien.