Regierungskritiker im Iran Tausende folgen Protestaufrufen
Im Iran gehen Regierungskritiker weiter auf die Straßen. Aktivisten hatten auf Zetteln zu Protesten aufgerufen. Derweil befürchtet das UN-Menschenrechtsbüro weitere Todesurteile gegen Demonstranten.
Nach Protestaufrufen sind im Iran erneut Tausende Menschen gegen die Regierung auf die Straßen gegangen. In der Hauptstadt Teheran versammelten sich Demonstranten an Universitäten, auf zentralen Plätzen und den Basaren, wie Augenzeugen berichteten. An mehreren Orten sollen Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die Proteste vorgegangen sein.
Die neuen Demonstrationen sollen an das gewaltsame Niederschlagen der Proteste von 2019 erinnern, die mit mehreren Hundert Toten auch als "blutiger November" bekannt geworden sind. Damals ging es zunächst um steigende Benzinpreise. Die Demonstrationen richteten sich jedoch schnell auch gegen die politische Führung in Teheran.
Protestaufrufe als Zettelbotschaften
Aktivisten hatten in den vergangenen Tagen zu mehrtägigen Protesten und Streiks aufgerufen. Angesichts der Einschränkung des Internets setzten Aktivisten im Land auch zunehmend auf Zettelbotschaften. In Irans Kurdenprovinzen folgten Händler Berichten zufolge dem Streikaufruf, viele Geschäfte blieben heute geschlossen. Auch mehrere Arbeiter eines staatlichen Stahlwerks nahe der Millionenstadt Isfahan sollen ihre Arbeit niedergelegt haben.
Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September gehen Menschen landesweit auf die Straßen, um gegen die vielschichtigen Restriktionen ihres täglichen Lebens zu protestieren, insbesondere mit Blick auf die Situation von Frauen. Amini hatte aus Sicht der Sittenpolizei gegen die strenge Kleiderordnung verstoßen und starb wenige Tage nachdem sie in Polizeigewahrsam kam.
UN ruft zur Freilassung von Festgenommenen auf
Das UN-Menschenrechtsbüro rief den Iran auf, Tausende Menschen freizulassen, die in den vergangenen Wochen wegen friedlicher Proteste gegen das System festgenommen worden waren. Die Anklagen gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten sollten fallengelassen werden, sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Jeremy Laurence in Genf.
Laurence warnte, die iranische Justiz könnte zahlreiche Todesurteile verhängen. Gegen mindestens zehn Menschen seien wegen der Teilnahme an den Protesten Anklagen erhoben worden, auf die die Todesstrafe stehe, darunter "Krieg gegen Gott" und "irdische Zerstörung", womit die Zerstörung öffentlichen Eigentums gemeint ist.
Unter Verweis auf Nichtregierungsorganisationen, die die Lage beobachten, berichtete Laurence, dass seit Beginn der Proteste vor rund zwei Monaten 326 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen seien, darunter 25 Frauen und 43 Minderjährige.