Justizreform in Israel Vermittlungsversuche ohne Erfolg
In Israel läuft die Parlamentssitzung, in der es zur entscheidenden Abstimmung über die Justizreform kommen soll. Zuvor blockierten Demonstranten das Parlament. Die Regierung gibt sich unbeeindruckt - auch wenn von allen Seiten der Druck wächst.
Bereits am Morgen hat es zwischen Demonstranten und der Polizei Zusammenstöße gegeben. Wasserwerfer kamen zum Einsatz, die Einsatzkräfte versuchten Hunderte Demonstranten daran zu hindern, den Zugang zur Knesset, dem israelischen Parlament, zu blockieren.
Unter den Demonstrierenden: besonders viele Reservistinnen und Reservisten. Mehr als 11.000 von ihnen haben angekündigt, nicht mehr freiwillig zum Dienst zu kommen, sollte die Justizreform beschlossen werden. Das ist ein Problem für Israels Sicherheit, denn darunter sind auch Kampfpiloten und Mitglieder von Spezialkräften.
Die Reservisten gelten als das Rückgrat der israelischen Armee. Und Menschen wie Yogev von der Organisation "Brothers in Arms" hoffen bis zur letzten Minute, die Justizreform noch zu verhindern: "Ich weigere mich, von hier wegzugehen. Ich weigere mich, das Feld zu räumen", sagt Yogev. "Wir haben viel in unserem Leben durchgemacht, wir haben dem Staat gedient, wir haben die Grenze zum Feindesland überschritten und haben unser Leben gefährdet. Wir geben nicht auf und tun alles, was nicht illegal oder gewalttätig ist."
Streiks im Hightech-Sektor
Druck auf die Regierung kommt von praktisch allen Seiten: Große Wirtschaftsunternehmen sind heute in den Streik getreten - auch im für Israel wichtigen Hightech-Sektor. Universitäten werden bestreikt und auch Ärzte waren schon im Warnstreik.
Die in Teilen rechtsextreme Regierung unter Benjamin Netanyahu scheint das bislang nicht zu beeindrucken. Bisher deutet nichts darauf hin, dass die Entscheidung noch abgeblasen oder ein Kompromiss gesucht werden könnte. Bezalel Smotrich, Israels Finanzminister von der Partei des Religiösen Zionismus, sagte gestern vor jubelnden Anhängern in Tel Aviv, die Regierung mache mit der Gesetzgebung weiter. Es handele sich "um die Quintessenz der Demokratie", so Smotrich. "Wir handeln mit Bestimmtheit und in vollem Glauben, dass die Korrekturen, die wir im Justizsystem durchführen wollen, das Richtige sind, um Gerechtigkeit schaffen."
Auch der Präsident beißt auf Granit
Angesichts von Worten wie diesen schritt auch Staatspräsident Yitzchak Herzog noch einmal ein und forderte Regierung und Opposition auf, Verantwortung zu zeigen und einen Kompromiss zu finden. Doch auch dieser Vermittlungsversuch scheiterte.
Ziel der Regierung ist es, den Obersten Gerichtshof zu schwächen, dessen Einfluss auf die Politik den Politikern der Regierungsparteien als zu groß gilt. Bei der heutigen Abstimmung in der Knesset geht es darum, dem Gericht die Möglichkeit zu nehmen, Entscheidungen des Kabinetts und von Ministern als "nicht angemessen" zurückzuweisen.
Netanyahu, dem am Wochenende ein Herzschrittmacher implantiert wurde, kam am Vormittag in der Knesset an. Als gutes Zeichen darf gewertet werden, dass er sich mit Benny Gantz trifft, einem der Oppositionsführer. Dieser hatte Netanyahu zuvor in einer Videobotschaft direkt angesprochen:
Du bist der Premierminister und die Verantwortung liegt auf Deinen Schultern. Eine Rückkehr zu den Verhandlungen beim Präsidenten, eine Übereinstimmung, welche nicht die Demokratie beschädigt, und ein Weitermachen in der gesamtem Gesetzgebung in Bezug auf das Justizsystem nur im gemeinsamen Einverständnis, das ist der richtige und angemessene Weg.
Doch läuft alles nach Plan, soll am frühen Nachmittag über das Gesetz in zweiter und dann am Abend in dritter und letzter Lesung abgestimmt werden - eine Planänderung in letzter Minute ist aber immer noch nicht ausgeschlossen.