Ein von der Hamas zerstörtes Haus im Kibbuz Nir Oz mit Bildern der ehemaligen Bewohner.
Player: audioMassaker von Nir Oz beispielloses Versagen von Israels Armee am 7. Oktober

Israels Armee zum Hamas-Angriff "Wir waren nicht da"

Stand: 17.03.2025 10:03 Uhr

Im Kibbuz Nir Oz verübten die Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 ein Massaker. Die israelische Armee kam viel zu spät - nun übernimmt sie in einem Bericht Verantwortung. Der stößt bei Überlebenden auf gemischte Reaktionen.

"Ich war hier mit meiner Familie, meiner Frau, den drei Jungs, wir haben uns im Bunker eingesperrt - zehn Stunden lang. Es war verrückt." Itai steht im Wohnzimmer seines Hauses im Kibbuz Nir Oz, wenige hundert Meter vom Gazastreifen entfernt. Noch immer sieht alles so aus wie am 7. Oktober 2023, nachdem Terroristen der Hamas die Gemeinde angriffen.

Der dreifache Familienvater blickt sich im verkohlten Wohnraum um. Asche, verbrannte Teile von Möbeln bedecken den Boden. Itai starrt auf den geschmolzenen Kühlschrank. Durch die zersplitterten Fenster fällt Licht auf die Verwüstung: "Dreimal kamen die Terroristen in mein Haus. Beim dritten Mal haben sie es angezündet. Wir wären fast erstickt. Es war sehr schwierig. Die Armee kam nicht." Es sei pures Glück gewesen, dass sie überlebten.

Stundenlanges Massaker mit 47 Toten

Nur ein paar Schritte entfernt töteten die Terroristen eine fünfköpfige Familie, die Siman Tovs. Etwas weiter entführten sie die Bibas-Familie, erinnert sich Itai. Stundenlang verübten die Terroristen ein Massaker. Ein Viertel der Einwohner wurde getötet oder entführt. 47 Tote, 76 Geiseln - darunter sind noch 14 im Gazastreifen.

Ein drei Kilometer entfernter Armeeposten sei ebenfalls überfallen worden, so dass die Soldaten Nir Oz nicht erreichten. Die Kommandokette des Militärs sei am 7. Oktober zusammengebrochen. Die Armee habe kein Bild von der Situation vor Ort gehabt, heißt es nun in dem Untersuchungsbericht, den der scheidende Generalstabschef Herzi Halevi den Überlebenden von Nir Oz vorstellte. Hinter verschlossenen Türen.

Verantwortung für das Scheitern der Armee

Dennoch wurde Halevis Rede aufgezeichnet: "Wir waren nicht da. Nur das Sicherheitsteam des Kibbuz hat heldenhaft gekämpft. Was in Nir Oz passierte, ähnelt keinem anderen Ort am 7. Oktober." Der erste Soldat sei nach Nir Oz gekommen, nachdem der letzte Terrorist den Kibbuz verlassen hatte, etwa 40 Minuten später, so Halevi. "Das ist furchtbar. Ich wiederhole das in Gesprächen mit Offizieren oft, damit jeder das für immer im Gedächtnis behält."

Dass Halevi Verantwortung für das Scheitern der Armee übernimmt, rechnen ihm die Überlebenden von Nir Oz an - so auch Izhar Lifshitz. Er ist der Sohn des in Geiselhaft getöteten 83-jährigen Oded Lifshitz. "Die Armee hat sich unsere Vorwürfe angehört, die unangenehm waren. Sie sind mit gesenktem Haupt zu uns gekommen und haben uns ihren Bericht vorgestellt, von dem ich nicht weiß, ob er vollständig ist." Immerhin eine Untersuchung, sagt Lifshitz.

Herzi Halevi

Überlebende fordern unabhängige Kommission

Aber es ist eine Untersuchung, die die Armee an sich selbst durchgeführt hat und nicht viel Neues enthalte, kritisiert Adar, die Mutter von Tamir Adar, einem Deutsch-Israeli, der nach Gaza entführt wurde. "Nach den Untersuchungen der Armee über sich selbst muss eine unabhängige Untersuchungskommission ernannt werden", fordert sie.

"Wir müssen wissen, wie es zum 7. Oktober kommen konnte." Auch die Regierung habe versagt, denn sie habe zugelassen, dass die Hamas im Gazastreifen sich bewaffnen konnte, so Adar. "Es geht um mehr als um das, was uns die Armee jetzt über den Morgen des 7. Oktober berichtet hat."

Zweieinhalb Stunden gegen 150 Terroristen

Yael Adars Sohn Tamir war einer von nur sieben Männern, die dem Sicherheitsteam im Kibbuz angehörten. Zweieinhalb Stunden kämpften sie gegen mehr als 150 Terroristen.

Tamir wurde schwer verletzt entführt und in Gaza getötet, sagt Itai. Der Familienvater steht noch immer in seinem verkohlten Wohnzimmer in Nir Oz: "Tamir war wie ein Bruder für mich. Er war immer für mich da. Er ist da raus gegangen, hat seine Frau und seine zwei Kinder im Bunker gelassen. Er hat mit seiner Waffe gegen die Terroristen gekämpft, um uns zu retten."

Itai bückt sich, hebt etwas vom Boden auf. Eine Buchseite, oder etwas, was die Kinder gebastelt haben. Außer dem Leben seiner Familie sei ihm nichts geblieben. Vertrauen in die Armee habe er nicht mehr. Er führt Besucher durch den zerstörten Kibbuz und berichtet ihnen selbst, was am 7. Oktober in Nir Oz geschah.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 17. März 2025 um 10:51 Uhr.