Wieder Proteste in Israel "Wir akzeptieren nichts davon"
Die Massenproteste in Israel gehen weiter, wieder waren Zehntausende Demonstranten auf den Straßen. Sie wehren sich gegen den umstrittensten Teil der Justizreform, die Angemessenheitsklausel.
Wenige Tage nach der Verabschiedung eines Kernelements der umstrittenen Justizreform hat es in Israel erneut Massenproteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gegeben. Zehntausende Demonstranten gingen am Abend allein in Tel Aviv auf die Straße und schwenkten israelische Flaggen.
Die israelische Polizei machte keine offiziellen Angaben zu Teilnehmerzahlen bei Protesten. Dem israelischen Fernsehen zufolge beteiligten sich an der Kundgebung in Tel Aviv mehr als 170.000 Menschen.
Allein in Tel Aviv waren Zehntausende Menschen auf den Straßen, um gegen die Verabschiedung des umstrittensten Teils der Justizreform zu demonstrieren. Sie beklagten, die Angemessenheitsklausel schränke Israels Justiz massiv ein.
Teil der Reform verabschiedet
Am Montag hatte das israelische Parlament mit den Stimmen aller 64 Abgeordneten der rechts-religiösen Regierungsmehrheit die sogenannte Angemessenheitsklausel verabschiedet. Sie nimmt dem Obersten Gericht fortan die Möglichkeit, Regierungsentscheidungen als "unangemessen" einzustufen und sie außer Kraft zu setzen.
Gegner der Reform hatten die Parlamentsabstimmung mit massiven Protesten begleitet. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen, in Tel Aviv setzte die Polizei Wasserwerfer ein.
"Todunglücklich und hilflos"
Nach weiteren Protesten am Donnerstag hatten die Gegner der Justizreform für Samstag zu neuen landesweiten Protesten aufgerufen - von der nördlichen Stadt Haifa bis nach Eilat am Roten Meer. "Wir weigern uns, einer Diktatur zu dienen", stand auf einem Plakat in Tel Aviv.
"Wir akzeptieren nichts davon", sagte der 27-jährige Itay Amram im Hinblick auf die Justizreform. Die Demonstrantin Lotem Pinchover, die in eine israelische Flagge gehüllt an der Kundgebung in Jerusalem teilnahm, sagte, sie habe sich nach der Parlamentsabstimmung am Montag "todunglücklich und hilflos" gefühlt. "Ich habe große Angst vor dem, was jetzt in Israel passiert, und ich mache mir große Sorgen um die Zukunft meiner Tochter", fügte die 40-Jährige hinzu.
Massive Schwächung der Justiz befürchtet
Die Angemessenheitsklausel ist einer der umstrittensten Bestandteile der Justizreform. Diese zielt darauf ab, die Befugnisse der Justiz und des Obersten Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des Ministerpräsidenten zu stärken.
Kritiker fürchten infolge der Schwächung der Justiz um die Demokratie in Israel. Befürworter argumentieren hingegen mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts bei der Gewaltenteilung.
Die Justizreform spaltet die israelische Bevölkerung. Seit mehr als einem halben Jahr protestieren Menschen aus dem gesamten gesellschaftlichen Spektrum gegen das Vorhaben.