Israels höchstes Gericht Auch Ultraorthodoxe müssen Wehrdienst leisten
Ultraorthodoxe Juden sind nicht vom Militärdienst freigestellt. Das hat Israels Oberster Gerichtshof entschieden - der Wehrdienst ist demnach für alle verpflichtend. Schon länger gibt es in weiten Teilen Israels Unmut über die bisherige Regelung.
Auch strengreligiöse Juden sind in Israel zum Wehrdienst verpflichtet. Das hat der Oberste Gerichtshof einstimmig entschieden. Die Streitkräfte des Landes müssen künftig auch ultraorthodoxe Juden zum Militärdienst einziehen, erklärten die neun Richter. Sie stimmten damit zwei Petitionen zu, die eine sofortige Einberufung wehrpflichtiger ultraorthodoxer Männer gefordert hatten.
"Auf dem Höhepunkt eines harten Krieges ist die Belastung durch eine ungleiche Verteilung der Bürde größer denn je und erfordert eine Lösung", hieß es in der Urteilsbegründung. Es gebe keine juristische Grundlage, um Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht zu befreien. Sie gelte ohne Unterschied.
Armee warnte vor Mangel an Kampfsoldaten
Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Wie viele Ultraorthodoxe eingezogen werden sollten, führte das Gericht nicht aus. Die Streitkräfte hatten aber zuvor erklärt, sie könnten noch in diesem Jahr 3.000 aufnehmen. Nach Angaben des Gerichts soll es sich insgesamt aber um 63.000 Männer handeln, die den Wehrdienst antreten müssen.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs ist bindend. Das Militär steht allerdings vor der schwierigen Aufgabe, Tausende Mitglieder einer Bevölkerungsgruppe einzuziehen, die das kategorisch ablehnt. Eine Stellungnahme des Militärs lag zunächst nicht vor. Die Armee hatte zuletzt angesichts des Kriegs im Gazastreifen eindringlich vor einem starken Mangel an Kampfsoldaten gewarnt.
Krieg in Gaza vertiefte die Kluft
Ultraorthodoxe Männer sind seit der Staatsgründung Israels für das Studium der religiösen Schriften de facto von der allgemeinen Wehrpflicht befreit. Das wird von der nicht-ultraorthodoxen Bevölkerung zunehmend infrage gestellt.
Das Oberste Gericht des Landes hat die Ausnahmeregelung bereits 2017 für verfassungswidrig erklärt. Der seit mehr als acht Monaten dauernde Krieg im Gazastreifen und die Einziehung Tausender Reservisten hat den Unmut verschärft.
Israels Parlament hatte in der zweiten Juniwoche zunächst in erster Lesung für die Wiederaufnahme eines Gesetzentwurfs zur Rekrutierung ultraorthodoxer Juden gestimmt. Dieser sieht den Einzug von 3.000 Ultraorthodoxen vor. Zudem zielt der Entwurf auf eine schrittweise Erhöhung ihrer Einberufungsquote auf 35 Prozent bis zum Jahr 2036. Der Entwurf wird nun in den Knesset-Ausschüssen weiter beraten. Danach wird es eine erneute Abstimmung geben.
Likud-Partei wittert Verschwörung
Am Streit um die Wehrpflicht Ultraorthodoxer war Ende 2018 die damalige Regierungskoalition zerbrochen. Es folgten bis November 2022 fünf vorgezogene Parlamentswahlen, an deren Ende die rechte Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu vereidigt wurde. Ihr gehören erstmals auch ultraorthodoxen Parteien an, die jede Änderung der derzeitigen Regelung ablehnen.
Netanyahus rechtskonservative Regierungspartei Likud kritisierte das Urteil. Eine echte Lösung des Streits um die Wehrpflicht könne nur ein "historisches Gesetz" liefern, das gegenwärtig für die Billigung im Parlament vorbereitet werde, hieß es in einer ersten Stellungnahme. Die Partei warf der Opposition vor, sie wolle in Wirklichkeit gar keine Wehrpflicht auch für Ultraorthodoxe, sondern lediglich die Regierung stürzen.
Die Regierung könnte theoretisch versuchen, ein Gesetz zu erlassen, das die Ausnahmen für Ultraorthodoxe wiederherstellt, aber vor dem Hintergrund der Gerichtsentscheidung dürfte das politisch schwierig werden.
Hält die Regierung von Netanyahu?
In einem Beitrag auf der Plattform X bezeichnete Kabinettsminister Jitzchak Goldknopf, der eine der ultraorthodoxen Parteien in der Koalition anführt, die Entscheidung als "sehr bedauerlich und enttäuschend". Er machte keine Andeutung, ob seine Partei die Regierung verlassen könnte. Der Staat Israel sei gegründet worden, um eine Heimat für das jüdische Volk zu sein und die Tora sei Grundlage für diese Existenz, schrieb er. "Die Heilige Tora wird sich durchsetzen."