Prozess gegen Israels Premier Netanyahu spricht von "absurden Vorwürfen"
Lange hatte er sich gewehrt, nun musste er vor Gericht erscheinen: Israels Premier Netanyahu hat erstmals im Korruptionsprozess gegen ihn ausgesagt. Er sprach von "absurden Vorwürfen", die er widerlegen wolle.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat sich erstmals seit Beginn seines Korruptionsprozesses vor mehr als vier Jahren vor Gericht den Vorwürfen gestellt. Vor dem Tel Aviver Bezirksgericht begann er am Mittag mit seiner Aussage und begrüßte die Gelegenheit, die "absurden Vorwürfe" gegen ihn zu widerlegen.
Die Vorsitzende Richterin Rivka Friedman-Feldman ermahnte den 75-Jährigen zu Beginn wie üblich, "die Wahrheit und nur die Wahrheit" zu sagen. Netanyahu dankte ihr laut Medienberichten und sagte: "Ich habe acht Jahre lang auf diesen Moment gewartet, um die Wahrheit zu sagen, so wie ich sie erinnere."
Am Montagabend hatte Netanyahu den Prozess gegen ihn bei einer Pressekonferenz als systematische Verfolgung kritisiert. Den Medien warf er vor, Lügen zu verbreiten.
Protest gegen Netanyahu und dessen Politik: Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude in Tel Aviv.
Protest vor dem Gerichtssaal
Vor dem Gericht versammelten sich viele Demonstranten, die gegen Netanyahu und dessen Politik protestierten. "Gegen Korruption gibt es keine Immunität", stand auf einem der Schilder, die sie in die Höhe hielten.
Eylon aus Tel Aviv sagte über Netanyahu: "Er kann nicht mehr unser Premier sein. Er hat das Land zerstört. Er ist der schlimmste Premier, den wir je hatten." Es sei überraschend, dass Netanyahu bis jetzt noch nicht verurteilt wurde: "Der Prozess, das sind Peanuts. Es ist wie Al Capone, der wegen Steuervergehen angeklagt wird. Ich denke, er wird mit allem davonkommen."
Aus Sicherheitsgründen in Tel Aviv
Die Sitzung mit drei Richtern findet in einem unterirdischen Saal statt. Sie war aus Sicherheitsgründen aus Jerusalem dorthin verlegt worden. Zwölf Minister aus Netanyahus Kabinett hatten wegen der israelischen Militäreinsätze im Gazastreifen und der Region eine Verschiebung der Befragung gefordert. Die Justiz lehnte das ab.
Mehrere Minister und Ministerinnen saßen mit im Gerichtssaal, um ihre Solidarität mit dem Regierungschef zu demonstrieren.
Vorwurf eines politischen Prozesses
Netanyahus Anwalt wies die Vorwürfe der Bestechung zurück. Dass Netanyahu vor Jahren Geschenke bekam, zeige wie tief seine Freundschaften seien, sagte Amit Haddad. Man sei hinter dem Mann her, nicht hinter einem Verbrechen.
Netanyahu selbst beteuerte seine Unschuld. Er habe oft nicht schlafen können, weil die Medien schlecht über ihn berichteten.
Die Lage in Syrien erreicht auch den Gerichtssaal
Im israelischen Fernsehen steht der Prozess im Mittelpunkt. Der Journalist Suleiman Maswadeh gab zu bedenken: "Was passiert, wenn der Premier während einer Aussage vor Gericht auf einen Vorschlag aus Ägypten zur Freilassung der Geiseln antworten muss?"
Unterbrechungen im Laufe des Prozesses sind nicht ausgeschlossen. Netanyahu sagte vor Gericht, die aktuelle Lage in Syrien sei neben dem Prozess eine Herausforderung für ihn. Die Richterin gab der Bitte seines Anwalts statt, dass der Regierungschef während der Sitzungen Zettel mit wichtigen Informationen zu aktuellen politischen Entwicklungen erhalten dürfe.
Anklage wegen Bestechung, Betrug und Untreue
Es ist das erste Mal, dass ein amtierender Ministerpräsident in Israel vor Gericht steht. Der Prozess könnte noch Jahre dauern. Netanyahu soll rund zwei Monate lang dreimal in der Woche aussagen.
Der Regierungschef wurde 2019 wegen Bestechung, Betrugs und Untreue angeklagt. Netanyahu bestreitet alle Vorwürfe und plädiert auf nicht schuldig. Der Prozess begann 2020.
Ihm wird unter anderem vorgeworfen, als Kommunikationsminister dem Telekomriesen Bezeq Vergünstigungen gewährt zu haben. Außerdem soll er von befreundeten Milliardären Luxusgeschenke angenommen haben.
Mit Informationen von Bettina Meier, ARD Tel Aviv