Staudämme in Laos Wer profitiert und wer verliert am Mekong?
Laos will mit Wasserkraftwerken am Mekong zur "Batterie" Südostasiens werden. Das hat nicht nur für die Umwelt Folgen. Denn die Menschen im Land profitieren davon bislang nicht - im Gegenteil.
Dass der Fluss sich verändert hat, spüre er deutlich, erzählt der Fischer, der sich Paschak nennt. An manchen Tagen steige der Mekong nun plötzlich an und das sehr schnell. So sei das früher nicht gewesen. Da habe es viel Wasser nur in der Regenzeit und wenig in der Trockenzeit gegeben.
Paschak sitzt vorne auf seinem schmalen Holzkahn. Als er sein feines Netz aus dem Wasser zieht, ist darin kein Fisch zu sehen. Auch das sei früher anders gewesen, sagt er. "Ich mache mir große Sorgen, dass die Pegel noch unregelmäßiger werden, wenn auch dieser Staudamm erstmal fertig ist. Die Fische können nicht mehr in Ruhe laichen bei diesem ständigen Auf und Ab."
100 Staudämme bis 2030
Mehr als 4.000 Kilometer ist der Mekong lang, entspringt in China und fließt bis in sein Delta in Vietnam. Seine typisch braune Färbung verdankt er den Sedimenten - Mineralien, die ihn fruchtbar machen. Der Mekong gilt als Lebensader für Millionen von Menschen. Aber diese Lebensader gerät zunehmend aus der Balance.
Ein Grund dafür liegt ein paar Kilometer flussaufwärts von Paschaks Kahn. Auf einer Mega-Baustelle entsteht ein neues Prestige-Objekt der laotischen Regierung: Der Staudamm in Luang Prabang soll das größte Wasserkraftwerk im Land werden und Strom für Thailand erzeugen.
Laos verfolgt einen ambitionierten Plan: Bis 2030 sollen rund 100 solcher Dämme in Betrieb sein und erneuerbare Energie für die ganze Region liefern.
Laos will "Batterie" Südostasiens werden
Aber es fehlt dem Land an eigenem Geld. Schon längst finanziert China mit und betreibt auch einige Dämme in Laos. Auch Laos' Nachbarländer, wie Thailand zum Beispiel, investieren und kaufen den erzeugten Strom
Die Politikwissenschaftlerin Hoang Thi Ha analysiert seit Jahren die Entwicklung am Mekong. Neben der Energiegewinnung, die für alle Länder in der Region interessant sei, verfolge China noch ganz andere Interessen. "Chinas strategisches Ziel ist es, die Länder am Mekong alle in den chinesischen Einflussbereich zu integrieren - wirtschaftlich aber auch strategisch. Um so Chinas Macht vom Norden bis in die südlichen Mekong-Länder auszuweiten."
Das Entwicklungsland steht vor einem Dilemma
Einerseits möchte Laos vom Mekong profitieren, andererseits macht genau das Probleme. Der autokratische Einparteienstaat pflegt gute Beziehungen mit China. Der mächtige Nachbar im Norden finanziert auch andere Projekte im Land. Unter anderem ist ein Schnellzug eingeweiht worden, der von der chinesischen Grenze bis in die laotische Hauptstadt Vientiane rast.
Zu große Abhängigkeit oder die Gefahr einer Schuldenfalle durch die ausländischen Investoren sieht das Energieministerium von Laos nicht. "Wir brauchen ja das Geld", erklärt der stellvertretenden Energieminister Chanthaboun Soukaloun im ARD-Interview. "Und wenn wir solche Projekte bauen, brauchen wir Material, Expertise. Das kommt dann aus der Region. Aber es profitiert eben nicht nur Laos. Ich glaube, ausländische Investoren profitieren sogar mehr als die Bevölkerung von Laos."
Im Land ist von Aufschwung nichts zu spüren. Viele Menschen haben Angst vor den Megaprojekten und wünschen sich, dass die Regierung stattdessen mehr in Gesundheit und Bildung investiert.
Umsiedlung für Megaprojekt
Aber offen Kritik äußern wenige. Das ist in dem Einparteienstaat auch nicht erwünscht. Viele geben im Gespräch stattdessen an, zufrieden mit den Plänen der Regierung zu sein.
So auch Bauer Karhan. Er musste für den Damm in Luang Prabang sein Haus verlassen, das ganz Dorf wurde abgerissen, alle zwangsumgesiedelt. Da wo früher Häuser, ein Tempel, eine Schule standen, liegt nur noch etwas Schutt.
Der Vater von zwei Kindern hat eine Entschädigung in Höhe von umgerechnet 8.000 Euro erhalten sowie ein kleines Stück Land. Er sei gar nicht unglücklich damit, aber schließlich habe er auch gar keine Wahl gehabt. Auf das Grundstück passe nicht mehr drauf als ein Haus, sagt er. Es gebe keinen Platz für sein Gemüse, das er früher angebaut habe.
Artenreichtum am Mekong bedroht
Kritik an den Staudamm-Projekten äußert Pai Deetes von der Organisation International Rivers. Sie fordert ein Umdenken am Mekong, um den Fluss mit seinem Artenreichtum und die vielen Menschen an seinem Ufer zu schützen. Wasserkraftwerke führten zu großer Ungerechtigkeit. Statt Wohlstand und Weiterentwicklung für die Bevölkerung zu schaffen, sorgten die Staudämme in der Bevölkerung, die vor allem von der Landwirtschaft und vom Fischfang lebe, für Armut.
"Diejenigen die an den riesigen Wasserkraftwerken am Mekong Gewinn machen, sind Investoren, Unternehmen, Banken", erläutert sie. "Aber das ist nicht nachhaltig. Denn bezahlen müssen diejenigen, die am Ufer des Mekongs leben."
Doch nicht weit von der Baustelle in Luang Prabang wird schon das nächste Staudammprojekt am Mekong geplant. Der Energiebedarf in der Region wächst. Bislang kommt die Energie vor allem aus fossilen Brennstoffen wie Kohle. Wasserkraft wird dagegen als nachhaltige Energiequelle gesehen.
Ruf nach diversifizierterer Energiepolitik
Die Politikwissenschaftlerin Hoang Thi Ha hat Verständnis für Laos' Ansinnen, eine Hydropower-Supermacht zu werden. Aber sie fordert mehr Weitblick. Die Regierung müsse einerseits dafür sorgen, dass die Bevölkerung teilhaben kann am Erfolg. Zum anderen dürfe sie sich nicht allein auf die Wasserkraft stützen.
Wenn man die ökologischen Folgen für den Fluss und die Auswirkungen auf den Lebensunterhalt der Menschen vor Ort mit einkalkuliere, dann seien die Wasserkraftwerke am Mekong nicht mehr ganz so nachhaltig. Laos müsse auch auf andere erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne setzen und dafür Investoren finden. Denn der größte Verlierer im Moment sei der Fluss selbst, sagt sie, und die Menschen, die von ihm leben.