Russland bei G20-Gipfel Misstöne fest eingepreist
Russland ist alles, nur nicht isoliert: Diese Botschaft will der Kreml beim G20-Gipfel auf Bali verbreiten. Dafür umschmeichelt Putin Gastgeber Widodo als "Bruder" und spricht von der "Symphonie" der multipolaren Welt.
"Wir stehen an einem historischen Wendepunkt. Vor dem wohl gefährlichsten, unberechenbarsten und zugleich wichtigsten Jahrzehnt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs", prophezeite Russlands Präsident Wladimir Putin Ende Oktober vor außenpolitischen Experten aus aller Welt. Der Westen werde "nicht mehr im Alleingang die Menschheit regieren können"; es gebe tektonische Verschiebungen im Konzert der Großen:
Es entstehen neue Kraftzentren: in Asien. In Afrika. Noch ist es ein armer Kontinent - aber er hat ein gewaltiges Potenzial. Auch Lateinamerika. Sie werden sich entwickeln.
Und zwar so, darauf legte der russische Präsident Wert, wie sie selbst und nicht wie westliche Länder es für richtig hielten.
Ausstiegspläne aus dem Dollar?
Der indische Premierminister Narendra Modi stehe wie kaum ein anderer für eine solch unabhängige Politik, die sich in erster Linie an nationalen Interessen orientiere - das erkennt Putin lobend an: Modi bewege sich "ruhig wie ein Eisbrecher in die Richtung, die richtig ist für den indischen Staat". Länder wie Indien spielten ein große, eine wachsende Rolle in der Welt.
Ganz zu schweigen von China, dessen Staatschef Xi Jinping Putin "seinen Freund" nennt. Mit beiden Ländern funktioniere bereits sehr gut, was aus Sicht des russischen Präsidenten Schule machen sollte: ein Handel auf der Basis nationaler Währungen. Jenseits des Dollars, der zu oft als Druckmittel genutzt worden sei: Es sei nicht einfach, aus dem Dollar auszusteigen - aber "immer mehr" Staaten dächten darüber nach.
Widodo nennt Putin "Bruder"
Im Kreml träumt man bereits von einem neuen weltweiten Finanzsystem. Von großen Absatzmärkten jenseits Europas. Einer Verschiebung der politischen Gewichte in Richtung Eurasien. Einer Stärkung von Organisationen, die international bisher eher am Rande wahrgenommen wurden, in denen Länder wie Brasilien, Südafrika, Saudi-Arabien oder auch die Türkei eine Rolle spielen. Und natürlich auch der Gastgeber des G20-Gipfels: Indonesien.
"Wenn mich Präsident Widodo anruft, nennt er mich 'Bruder', ich sage zu ihm dasselbe. Wir schätzen die Beziehungen, die wir zu Indonesien aufgebaut haben", erklärte Putin der Vertreterin Indonesiens, die sich entzückt zeigte.
Disharmonien mit dem Westen eingepreist
Er sprach sich außerdem auch gegen eine Bildung neuer Blöcke in Asien aus: Diese sei "ein schädliches Unterfangen", das seiner Meinung nach gescheiterte System des Blockdenkens aus dem atlantischen Raum auf Asien zu übertragen. Niemandem dürfe aber etwas aufgezwungen werden. Alle müssten die gleichen Rechte haben, forderte Putin. Wobei er dazu nur die Länder zählt, die aus seiner Sicht ein Recht auf Eigenständigkeit haben - also weder die Ukraine noch Taiwan.
Auf dieser Grundlage, meint Putin, könne man sich "die Symphonie der menschlichen Zivilisationen erarbeiten". Den entsprechenden Ton soll Außenminister Sergej Lawrow auf Bali setzen. Im Gleichklang mit den Partnern. Disharmonien mit Vertretern des Westens sind trotz demonstrativer Abwesenheit Putins fest eingepreist.