Russland Zahlreiche Deutsche müssen Russland verlassen
Politiker in Deutschland reagieren mit Unverständnis und Kritik auf die Entscheidung Moskaus: Zahlreiche deutsche Staatsbedienstete müssen das Land verlassen. SPD-Außenpolitiker Roth etwa spricht von einer "dramatischen" Entwicklung.
Keine Illusionen bitte gegenüber Russland: So bewertet der SPD-Politiker Michael Roth die Entwicklung. Roth sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Russland handelt eben so, wie eine Diktatur nun einmal handelt." Für den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag betreibt "das Regime eine Politik der Drohung und Einschüchterung".
Roth spricht von dramatischen Bedingungen - dennoch sei es wichtig, eine diplomatische Minimalpräsenz so gut es gehe aufrecht zu erhalten. Die brauche Deutschland zum Beispiel für humanitäre Notfälle und letzte verbleibende politische Gesprächskanäle.
Auswärtiges Amt: Nicht gerechtfertigt und nicht nachvollziehbar
Mit der jüngsten Entwicklung geht der Schlagabtausch zwischen Russland und Deutschland in die nächste Runde. Dieses Mal trifft es allerdings nicht nur Diplomaten, die Russland verlassen müssen, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeitende der Goethe-Institute, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Russland führt für all solche Bediensteten eine Höchstzahl ein. Das hat das Auswärtige Amt dem ARD-Hauptstadtstudio bestätigt.
Aus dem Ministerium heißt es: "Diese von Russland ab Anfang Juni festgelegte Grenze erfordert einen großen Einschnitt in allen Bereichen unserer Präsenz in Russland." Das Auswärtige Amt macht allerdings keine Angaben dazu, wie viele Menschen genau betroffen sind. Die "Süddeutsche" spricht von mehreren Hundert.
Das Außenministerium kritisiert die Maßnahme in scharfem Ton und spricht von einer "einseitigen, nicht gerechtfertigten und nicht nachvollziehbaren Entscheidung".
Die beiden Länder haben immer wieder wechselseitig Diplomaten ausgewiesen. Zuletzt hatte Deutschland Ende April auf die Ausreise russischer Vertreter gedrängt. Aus Sicht der Regierung standen sie unter Spionageverdacht, sie arbeiteten wohl für russische Nachrichtendienste. Danach mussten wiederum mehr als zwanzig Deutsche in Russland ihre Koffer packen. Der jetzige Schritt aber geht über die Beschäftigten in Botschaften hinaus. Der SPD-Außenpolitiker Roth fordert: Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass wirklich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der russischen Geheimdienste und Sicherheitskräfte Deutschland verlassen müssen.
Grüne: "Gleiches mit Gleichem" beantworten
Ähnlich reagierte die grüne Verteidigungs- und Außenpolitikerin-Politikerin Sara Nanni. Für sie ist es das Wichtigste, auf der diplomatischen Ebene "Gleiches mit Gleichem" zu beantworten. Das gelte besonders für Spionageaktivitäten Russlands in Deutschland. Dass jetzt auch Lehrende Russland verlassen müssen, sei auf jeden Fall ein Problem für den kulturellen Austausch, sagt Nanni. Man dürfe sich aber auch nichts vormachen. "Russland hat schon vor der erneuten Invasion der Ukraine massiv die Axt an diesen kulturellen Austausch gelegt." Deswegen erlebe man jetzt weniger eine Überraschung, sondern eher eine Fortführung der bisherigen Entwicklung.
Der Sozialdemokrat Roth erinnert daran, dass schon zuletzt die, wie er es nennt, "Bewegungsräume der Zivilgesellschaft" systematisch und massiv beschnitten worden seien. Russland fürchte die "Kraft der Freiheit, die Attraktivität des offenen Meinungsaustauschs, die friedliche Begegnung". Und dennoch: "Dass nun auch noch die letzten kleinen Kerzen der Hoffnung ausgeblasen werden, ist frustrierend und enttäuschend."
"Russland lässt die Rollläden runter"
Für Jürgen Hardt, den außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, ist ein Tiefpunkt der russisch-deutschen Beziehungen erreicht. Es werde lange dauern, bis man zu normalen Verhältnissen zurückkehren könne. Das sei zwar extrem bedauerlich. Doch Russland sei zunehmend isoliert, regiere darauf aber nicht mit einem Kurswechsel. Vielmehr lasse es nun weiter die Rollläden runter, damit "nur ja kein Gedanke von außen nach Russland reinkommt". Wenn Russland nun nicht mehr nur Botschaftsbeschäftigte ausweist, dann treffe es Einrichtungen, die dafür sorgen, dass die Menschen sich näherkämen. "Genau das aber will Putin wohl nicht." Denn er befürchte, dass dann auch die Wahrheit über diesen Krieg den Menschen vor Augen geführt wird.
Ankündigung von Gegenmaßnahmen?
Der Schlagabtausch dürfte damit nicht zu Ende sein. Wenn auch diplomatisch formuliert, kann man die Reaktion des Auswärtigen Amtes durchaus als Ankündigung von Gegenmaßnahmen verstehen. So heißt es aus dem Ministerium: "Die Bundesregierung wird mit Blick auf die Obergrenze bei der russischen Präsenz in Deutschland darauf achten, dass auch in der Praxis eine echte Ausgewogenheit besteht.