Schülerinnen und Schüler im Libanon (Archivbild)

Schulstart im Libanon Lernen im Krieg

Stand: 04.11.2024 02:35 Uhr

Im Libanon versucht die Regierung, die Schulen wieder zu öffnen - auch, um den Kindern ein bisschen Normalität zurückzugeben. Viele der Gebäude werden jedoch weiter als Flüchtlingsunterkünfte benötigt.

Von Moritz Behrendt. ARD-Studio Kairo, zzt. Beirut

"Als ich angekommen bin, haben mich einige Schüler gleich umarmt. Das war ein richtig schöner Moment." Dana Bayoumi unterrichtet Erstklässler in Mathe und Englisch - der erste Schultag war für sie in diesem Jahr ein noch besonderer Tag als sonst. Bayoumi ist Lehrerin an einer Privatschule in Beirut - dort konnte der Unterricht schon in der vergangenen Woche beginnen.

Wegen der israelischen Luftangriffe ist der Schulstart im Libanon immer weiter nach hinten verschoben worden - im Oktober teilte Bildungsminister Abbas Halabi dann mit - dass das Schuljahr offiziell am 4. November beginnt. Bei diesem Plan ist es geblieben: "Wir haben unser Bestes gegeben, damit die Schüler an öffentlichen Schulen und an Privatschulen ein normales Schuljahr haben können."

Unterricht als Ablenkung vom Trauma

Doch wie viel Normalität kann es mitten im Krieg geben? Dana Bayoumi berichtet von verängstigten Kindern und besorgten Mütter: "Einige haben mir erzählt: "Meine Tochter fängt immer an zu weinen, wenn sie den Sound einer Drohne hört - sie kann es nicht ertragen."

Der Unterricht, erzählt die Grundschullehrerin, soll die Gedanken an den Krieg vertreiben: "Wir reden über Dinge, die die Kinder fröhlich machen, anstatt uns auf die traurigen Dinge zu konzentrieren. Wir machen Scherze und versuchen den Krieg draußen zu lassen."

Flüchtlinge in einer Schule im Libanon (Archivbild)

In vielen Schulen sind Flüchtlinge untergebracht.

Schulen dienen oft als Flüchtlingslager

An vielen öffentlichen Schulen ist das unmöglich - in etwa 600 Schulen, sagt Bildungsminister Halabi, sind Vertriebene untergebracht. Ob und wie und wann dort wieder Schulbetrieb stattfinden kann, ist fraglich. Der Notfallplan des Ministeriums lässt es im Vagen. Zur Not, sagt der Minister, gebe es ja noch Online-Unterricht.

Daran kann sich die 13-Jährige Elaine noch gut erinnern - aus Corona-Zeiten: "Da war schon schwer, sich zu konzentrieren. Ich finde es besser zu Schule zu gehen und seine Lehrer zu sehen. Ich habe es in den letzten Wochen vermisst, alle meine Mitschüler zu sehen." Auf den Arabisch-Unterricht, fügt die Achtklässlerin hinzu, könnte sie ja durchaus noch weiter verzichten, aber auf Biologie freue sie sich. Das sei ihr Lieblingsfach.

Kritik an Schulverwaltung

Viele Eltern und Lehrer halten die Schulverwaltung für unvorbereitet. Sie rechnen mit großem Chaos in den nächsten Wochen. Der zuständige Minister will über die Details gar nicht so viel sprechen - in Fernsehinterviews betont er lieber das Grundsätzliche: "Der Libanon ist bekannt für sein Bildungssystem. Wir haben nur das Leistungspotenzial unserer Menschen - und das gilt es um jeden Preis zu verteidigen".

Beim Schulstart sind viele Schulen auf sich allein gestellt - etwa wenn es darum geht, Evakuierungspläne zu erstellen. Die israelischen Luftangriffe dauern schließlich an. Oft treffen die Bomben ihre Ziele mit wenig oder gar keiner Vorwarnzeit. "Nur weil wie bombardiert werden, sollten wir doch nicht aufhören zu lernen", sagt eine junge Studentin. Sie sei stolz auf all diejenigen, die sich weiter darauf konzentrierten, Abschlüsse zu machen, auch wenn sie Angehörige verloren haben und so viel Schmerz erlitten haben.

Dass jetzt die Schule wieder beginne, sei auch ein Zeichen der Widerstandsfähigkeit des Libanon.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. November 2024 um 06:45 Uhr.