Bürgerkrieg in Syrien Das geschundene Land
Hunderttausende Tote, noch mehr Verletzte, Millionen Flüchtlinge: Zehn Jahre nach dem Beginn des Aufstands in Syrien ist das Land verwüstet und gespalten, Machthaber Assad weiter im Amt. Die Aussichten sind düster.
Im Februar 2011 herrscht Aufruhr in einigen arabischen Ländern. Menschen gehen für ihre Würde, für Freiheit und Demokratie auf die Straße. Teenagern in Deraa, im Süden Syriens, kommt eine Idee. Auf die Schulmauer sprühen sie nachts ein paar Sprüche: "Nieder mit dem Präsidenten!" und "Du bist der nächste, Doktor!" - auch das zielt auf Staatsoberhaupt Baschar al-Assad, der studierter Arzt ist.
Die Jugendlichen tauchen unter, dann fasst sie der Geheimdienst, verhört, foltert, quält sie, erzählt einer von ihnen Jahre später dem Sender Aljazeera:
Sie haben uns wie Hühner behandelt. Sie haben eine Stange an die Wand angebracht, da haben sie uns rangehängt. Sie haben Wasser aufgedreht und uns überall Elektroschocks verpasst. Wir hingen manchmal einen ganzen Tag an der Wand, unsere Füße konnten kaum den Boden berühren. Bis wir geständig waren.
Die Familie und Freunde protestieren
Väter, Verwandte, Freunde gehen auf die Straße und rufen: "Wir wollen unsere Kinder zurück." Sicherheitskräfte eröffnen das Feuer auf die Demonstranten, es gibt Tote. Wie ein Lauffeuer verbreiten sich die Proteste überall im Land.
Assad macht keinen ernsthaften Versuch, auf die Menschen zuzugehen. Der Nahost-Journalist Sam Dagher sagt, das sei Strategie gewesen. Als Assads Truppen das Feuer auf die Protestierenden in Deraa eröffneten, sei der Plan gewesen, ein paar Menschen zu töten, damit die Syrer wieder nach Hause gehen - aus Angst.
Lehren aus Aufständen in anderen Staaten
Assad beobachtet, wie sich andere bedrängte Regimes verhalten. Seine Lehre: Wer nachgibt, hat verloren.
Nach einigen Monaten ändert sich der Charakter der Proteste. Im Juli 2011 formieren sich fahnenflüchtige Offiziere zur "Freien Syrischen Armee". Immer häufiger wenden Assad-Gegner selbst Gewalt an.
Der Syrien-Experte Volker Perthes blickt zurück: Sehr schnell seien dann auch Kräfte aus der radikalen, islamistischen, terroristischen Opposition auf den Zug der zunächst bürgerlichen, friedlichen Proteste aufgesprungen und hätten versucht, diese Proteste und den Aufstand zu militarisieren.
Kriegsentscheidend: Russlands Eingreifen
Im September 2015 greift Russlands Luftwaffe in den Konflikt ein. Das ist kriegsentscheidend. Assads Truppen können die Aufständischen zurückdrängen. Die werden zwar auch von den USA mit Waffen und Munition beliefert, aber gegen Assads Luftüberlegenheit können sie nichts ausrichten.
Zehn Jahre nach Beginn des Konflikts ist Syrien in vier Einflusszonen internationaler Mächte zerfallen. Die Wirtschaft ist im freien Fall, die Menschen verarmen, viele hungern. Dareen Khalifa von der Denkfabrik "Crisis Group" sagt, das Leben der Menschen in den Regierungsgebieten sei durch die "ungewollten Folgen westlicher Sanktionen" härter geworden. "Die Sanktionen sind dafür aber nicht der Hauptgrund. In Wirklichkeit haben der Krieg und die jahrzehntelange Korruption die Wirtschaft verwüstet."
Keine Aussichten auf Wandel
Assad hat überlebt und ist weiter an der Macht. In wenigen Wochen wird er eine Präsidentschaftswahl inszenieren. Dareen Khalifa denkt nicht, dass sich bald etwas ändert. Sie bezweifelt, dass die Syrer wieder gegen Assad mobil machen werden. "Der Konflikt hat die Syrer völlig erschöpft. Die Menschen wissen, wie brutal das Regime ist. Und sie sehen keine Chancen für einen Regimewandel oder für Reformen."