Tibets Raupenpilz Das "Viagra des Himalaya" - begehrt und bedroht
Aus dem Inneren einer toten Raupe wächst in Tibet ein Pilz, der als Heil- und Potenzmittel astronomisch hohe Preise erzielt. Viele Familien in der Region leben vom Sammeln, doch das Aufkommen schwindet.
Auf dem Markt in der Stadt Yushu in der Provinz Qinghai, 3700 Meter über dem Meeresspiegel, geht es im Frühsommer fast nur um ein Produkt: den chinesischen Raupenpilz, auf Tibetisch "Yartsa Gunbu" - das "Viagra vom Himalaya", das neben der Potenz auch Lunge und Leber stärken soll.
Er komme auf diesen Markt, weil die besten Raupenpilz-Gebiete in der Nähe liegen, sagt ein Händler im chinesischen Staatsfernsehen. Der Umsatz sei sehr gut.
Wer es sich leisten kann: Angeboten wird der Raupenpilz in großen Gläsern - doch der Kilopreis kann bis zu 24.000 Euro betragen.
Höchstpreis für ein Kilo
Auf dem Markt im tibetischen Hochland wird in wenigen Wochen sehr viel Geld verdient. Denn im weit entfernten Peking kostet ein Kilo getrocknete Raupenpilze über 24.000 Euro.
In den tibetischen Gebieten - noch bevor die Zwischenhändler ins Spiel kommen - sind die Preise niedriger. Dennoch ist der Raupenpilz für viele Tibeter die wichtigste Einnahmequelle.
Im Frühsommer schwärmen Tausende aus, um nach den braun-gelben Pilzen zu suchen. Dafür braucht man Geduld und gute Augen. Sichtbar sind nämlich nur die winzigen Stile, die wie ein Horn aus dem Kopf von im Erdreich liegenden toten Raupen wachsen.
Das Aufkommen geht zurück
Aber der Hype um die Pilze hat auch Schattenseiten. Dieses Jahr sei das Aufkommen deutlich geringer als in den Jahren zuvor- etwa ein Drittel weniger, sagt Zhu Jinyi vom Raupenpilzverband in Yushu im Staatsfernsehen. Das führe dazu, dass die Preise um bis zu 20 Prozent steigen.
Die Gründe sind vielschichtig. Jedes Jahr graben mehr Sammler Pilze aus. Dieses Jahr rechnet die Provinz Qinghai mit 150 Tonnen. In den Gemeinden müssen Ortsfremde zwar Pilz-Lizenzen kaufen, aber reguliert wird das Sammeln kaum.
Auch in Hongkong wird für die segensreiche Wirkung des Raupenpilzes geworben - inzwischen wird er auch außerhalb Tibets gezüchtet.
Viele Ideen für mehr Nachhaltigkeit
Dabei gebe es Ideen für Nachhaltigkeit, sagt der Ethnomykologe Daniel Winkler. Der gebürtige Münchner lebt in den USA und hat viele Jahre in Tibet geforscht und gearbeitet.
Man könnte die Saison "einfach früher beenden" und nur vier Wochen sammeln lassen, sagt Winkler, - dann könne das, was noch im Boden ist, Sporen produzieren. Denkbar wäre auch, dass pro Haushalt nur eine oder zwei Personen sammeln dürften. Oder dass die Sammelgebiete sich abwechseln.
Steigende Temperaturen wirken sich aus
Auch der Klimawandel spielt eine Rolle beim Rückgang des Pilzertrages. Kelly Hopping von der Boise State University im US-Bundesstaat Idaho hat diese Zusammenhänge untersucht.
Raupenpilze, erklärt er, würden vor allem in hochliegenden, kälteren Regionen wachsen: "Wenn aber die Durchschnittstemperaturen im Winter auf über minus vier Grad steigen, wachsen die Pilze nicht mehr."
Einfach woanders züchten?
Die genauen Zusammenhänge sind noch nicht erforscht. Aber statt in mehr Forschung fließt viel Geld in Versuche, Raupenpilze in anderen Landesteilen Chinas zu züchten - mit ersten Erfolgen.
Ethnomykologe Winkler sieht das kritisch: Es sei nie darum gegangen, eine nachhaltige Ernte zu entwickeln, die der örtlichen Bevölkerung geholfen hätte. "Es ging nur darum, die Produktion zu verlagern und somit die Mengen zu vergrößern."
Für die Tibeter geht es um viel
Der Raupenpilz selbst gilt als einigermaßen resilient. Aber das jahrhundertealte Zusammenspiel von Menschen und Natur im tibetischen Hochland steht auf dem Spiel.
Für die Tibeter gibt es wenige andere Verdienstquellen. Ohne die Einnahmen aus den Raupenpilzen müssten noch mehr von ihnen ihre traditionellen Lebensformen im Hochland aufgeben.