Internationaler Gerichtshof Ukraine wirft Russland Völkermord-Lüge vor
Die Ukraine hat vor dem Internationalen Gerichtshof schwere Anschuldigungen gegen Russland erhoben: Moskau würde seinen Angriffskrieg unter dem Vorwand führen, einen Völkermord zu verhindern. Die Konvention würde so "zynisch missbraucht".
Die Ukraine wirft Russland vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen vor, unter dem Vorwand der Verhinderung eines vermeintlichen Völkermords einen Angriffskrieg zu führen. Der Vertreter der Ukraine, Anton Korynewytsch, forderte den Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) zudem auf, sich für die russischen Verbrechen für zuständig zu erklären und verlangte Reparationen Russlands.
"Die internationale Gemeinschaft hat die Völkermordkonvention angenommen, um zu schützen; Russland beruft sich auf die Völkermordkonvention, um zu zerstören", sagte Korynewytsch vor den Richtern. "Ist dieses Gericht machtlos, wenn die Völkermordkonvention so zynisch missbraucht wird? Die Antwort auf diese Fragen muss 'nein' lauten", sagte Korynewytsch.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte wiederholt behauptet, eine neonazistische Regierung in der Ukraine verübe einen Völkermord an Russen. Auch zu deren Schutz habe man den Krieg begonnen, der in Russland nur als "Spezialeinsatz" bezeichnet werden darf.
Am Montag hatte Russland vor dem UN-Gericht gefordert, die ukrainische Klage abzuweisen, weil die juristischen Argumente der Regierung in Kiew voller Fehler seien. Der IGH sei auch nicht zuständig, weil die Völkermordkonvention nicht herangezogen werden könne, um Gewaltanwendung zwischen Staaten beizulegen.
Urteil könnte hohen Symbolwert haben
Ab Mittwoch bekommen mehr als 30 weitere Länder, alles westliche Verbündete Kiews, in dem Verfahren die Gelegenheit, zugunsten der Ukraine auszusagen. Der IGH muss dann entscheiden, ob er die Klage der Ukraine annimmt und es damit zu einem Prozess kommt. Es können jedoch noch Monate verstreichen, bis das Gericht diese Entscheidung trifft. Die Urteile des Internationalen Gerichtshofs sind bindend. Allerdings stehen dem IGH keine wirklichen Instrumente zur Verfügung, um eine Einhaltung seiner Urteile durchzusetzen. Aus Sicht von Experten wäre ein Urteil des IGH zugunsten der Ukraine aber von hoher symbolischer Bedeutung für Kiew.
Moskau ignorierte Gerichtsentscheid
Die Ukraine hatte den sogenannten Weltgerichtshof bereits wenige Tage nach der russischen Invasion am 24. Februar 2022 angerufen. Einen ersten Erfolg konnte sie bereits im März 2022 verbuchen. Damals wies das Gericht in einer vorläufigen Entscheidung Russland an, die Kampfhandlungen einzustellen. Die Regierung in Moskau ignorierte jedoch die richterliche Entscheidung. Aus Sicht von Experten könnte der Prozess jedoch mögliche Entschädigungszahlungen nach Ende der Kämpfe an die Ukraine erleichtern.