Hochkommissar Türk UN warnen Israel vor Großangriff auf Rafah
Seit Tagen deutet sich an, dass eine Offensive Israels in Rafah kurz bevorstehen könnte. UN-Hochkommissar Türk hat davor nun eindringlich gewarnt. Zudem verurteile er Luftangriffe auf die Stadt, die Israel zuletzt durchgeführt hatte.
Fast täglich greift Israel bereits Ziele in Rafah an. Trotz Bedenken der USA und anderer Staaten will die israelische Regierung ihre Bodenoffensive auf die Stadt im Süden des Gazastreifens ausweiten, um dir dort verbliebenen Hamas-Kämpfer aufzuspüren. Zuletzt mehrten sich die Hinweise, dass eine solche Offensive bald bevorstehen könnte.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat nun eindringlich vor einem solchen Großangriff gewarnt. Die Folgen wären "mehr Todesfälle, mehr Verletzungen und Vertreibung in großem Maßstab - und mehr grausame Verbrechen, für die die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden würden", hieß es in einer Mitteilung seines Büros.
Nach Türks Angaben halten sich schätzungsweise noch 1,2 Millionen Vertriebene in Rafah auf. Lange Zeit lag die Schätzung bei 1,7 Millionen. Viele Menschen hätten die Stadt aus Angst vor der angekündigten Offensive in Richtung Norden verlassen.
UN: 30 Frauen und Kinder getötet
Der UN-Hochkommissar prangerte zudem eine Serie israelischer Luftangriffe auf Rafah an. Dabei seien überwiegend Frauen und Kinder ums Leben gekommen, erklärte Türk. Die Staats- und Regierungschefs der Welt seien sich einig, wie wichtig es sei, die Zivilbevölkerung von Rafah zu schützen.
Türk warnte vor möglichen Kriegsverbrechen. "Die jüngsten Bilder von einem Frühgeborenen, das aus dem Bauch seiner sterbenden Mutter genommen wurde, (und Bilder) von den beiden benachbarten Häusern, in denen 15 Kinder und fünf Frauen getötet wurden - das hat nichts mehr mit Kriegsführung zu tun."
Die Schwangere sei bei einem israelischen Angriff auf ein Wohnhaus vor wenigen Tagen tödlich verletzt worden, teilte die Sprecherin des Büros mit. Rettungskräfte hätten sie noch zu einem Krankenhaus gebracht, wo das Baby nach einem Kaiserschnitt bei seiner sterbenden Mutter überlebt habe und nun um sein Leben kämpfe. Das Büro dokumentierte drei Luftangriffe seit dem 19. April in Rafah, bei denen mindestens 30 Frauen und Kinder ums Leben gekommen seien.
Berichte über Massengräber
Nach Angaben seiner Sprecherin zeigte sich Türk zudem entsetzt über Berichte, wonach im Gazastreifen mutmaßliche Massengräber entdeckt wurden. Angesichts des Grads der Zerstörung der Krankenhäuser Nasser in Chan Yunis und Al-Schifa in Gaza-Stadt sowie Berichten über Massengräber mit Hunderten Leichen sei es nötig, Alarm zu schlagen, sagte die Sprecherin.
Offensichtlich seien mehrere Leichen entdeckt worden. "Einigen von ihnen waren die Hände gebunden, was natürlich auf schwere Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht hinweist und weiteren Untersuchungen unterzogen werden muss", erklärte Türks Büro. Der UN-Hochkommissar arbeite daran, eine Bestätigung für die Berichte von palästinensischer Seite zu erhalten. Denen zufolge wurden in Nasser 283 und in Al Schifa 30 Leichen gefunden, darunter auch Frauen und Kinder. Sie seien unter Müllbergen begraben gewesen.
Israelische Armee: "Vorwürfe haltlos"
Mehrere Medien berichteten, die Terrororganisation Hamas behaupte, die israelische Armee habe Palästinenser im Nasser-Krankenhauses getötet und dort begraben. Das israelische Militär bestreitet das. "Der Vorwurf, die israelische Armee habe Leichen von Palästinensern begraben, sind völlig haltlos", schrieb die Armee auf eine Anfrage einer israelischen Zeitung.
In der schriftlichen Mitteilung hieß es allerdings weiter, die Soldaten hätten im Nasser Krankenhaus in den vergangenen Monaten Leichen untersucht, die Palästinenser begraben haben, um herauszufinden ob unter ihnen tote Geiseln sind. Die Untersuchungen seien ordnungsgemäß durchgeführt worden, ohne die Würde der Toten zu stören.
Mit Informationen von Bettina Meier, ARD-Studio Tel Aviv