EU weiter uneins über Flüchtlinge Östliche EU-Staaten beharren auf Freiwilligkeit
Die EU ist weiter uneins im richtigen Umgang mit der Flüchtlingskrise. Die östlichen Staaten sprachen sich in Prag gegen verbindliche Quoten für die Verteilung von Flüchtlingen aus. In Brüssel mahnten derweil die Außenminister von Deutschland und Österreich mehr Solidarität an.
Während in Brüssel die EU-Außenminister über die EU-Flüchtlingspolitik sprachen, saßen in Prag die Regierungschefs genau jener Länder beisammen, die sich bisher am heftigsten weigern, eine von der EU festgelegte Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen.
"Wir bestehen auf Freiwilligkeit"
Und bei dieser Haltung wollen Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei auch bleiben. Die vier Länder sprachen sich bei ihrem Treffen in Prag wiederholt gegen verbindliche Flüchtlingsquoten aus. "Wir bestehen weiter auf Freiwilligkeit", sagte der tschechische Ministerpräsident Sobotka. Und seine polnische Amtskollegin Kopacz warnte in Richtung Brüssel, Lösungen, die die Möglichkeiten der einzelnen Länder nicht berücksichtigten seien kontraproduktiv.
Außerdem forderten die vier Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe eine bessere Bewachung der EU-Außengrenzen und eine schnelle Einrichtung von Registrierungszentren in den EU-Grenzstaaten.
Der tschechische Innenminister Chovanec schlug auch vor, einen Bahn-Korridor für syrische Flüchtlinge zwischen Ungarn und Deutschland einzurichten, wenn Budapest und Berlin zustimmten. Per Bahn könnten dann die Flüchtlinge durch Tschechien und die Slowakei fahren ohne weiter kontrolliert oder registriert zu werden.
Steinmeier appelliert an die Solidarität
Mit der Ablehnung verbindlicher Flüchtlingsquoten lehnten Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei die jüngste deutsch-französische Initiative für eine gerechtere Verteilung Schutzsuchender zurück. Bei dem EU-Außenministertreffen in Brüssel hatten das die beiden Vertreter aus Deutschland und Österreich, Frank-Walter Steinmeier und Sebastian Kurz, wiederholt gefordert und an die europäische Solidarität appelliert.
Europa müsse "in einen anderen Modus der Zusammenarbeit kommen", hatte Steinmeier zum Auftakt des Treffens verlangt. Die Herausforderung, vor der die EU stehe, sei "um ein Vielfaches größer" als die jüngsten Entscheidungen über das Rettungspaket für Griechenland, unterstrich Steinmeier. "Wir werden diese Aufgabe nicht bewältigen, wenn wir nicht aufhören, mit dem Finger jeweils auf den Nachbarn zu zeigen."
EU-Schengen-Regeln einhalten
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto verteidigte beim Treffen mit seinen Kollegen in Luxemburg die harte Position seines Landes. "Ungarn ist verpflichtet, die EU-Schengen-Regeln einzuhalten." Deshalb würden der Grenzzaun zu Serbien gebaut und Zonen eingerichtet, in denen die Flüchtlinge Asyl beantragen könnten.
Zugleich machte er den Flüchtlingen am Budapester Bahnhof Vorwürfe: Die Situation sei deshalb so dramatisch, weil sich Migranten weigerten, dass man von ihnen Fingerabdrücke nehme und Fotos mache. Ungarn müsse aber alle Personen laut den Dublin-Regeln registrieren. "Wir sind bereit, Flüchtlinge zu akzeptieren, aber wir sind nicht bereit, Wirtschaftsmigranten zu akzeptieren", betonte Szijjarto. Anderen EU-Staaten warf er vor, falsche Hoffnungen bei Migranten zu wecken.
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz wiederum erklärte, dass ein Verteilungssystem in der EU nicht funktionieren könne, wenn Länder wie Italien oder Griechenland Migranten entgegen der EU-Regeln nach Mitteleuropa weiterreisen ließen.
Großbritannien will jetzt mehr Flüchtlinge aufnehmen
Der britische Premierminister David Cameron kündigte überraschend an, "Tausende" Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Sein Land habe bisher etwa 5000 Bürgern aus dem Land Zuflucht gewährt, sagte er in Lissabon.
Großbritannien steht europaweit in der Kritik, weil es vergleichsweise wenige Flüchtlinge aufnimmt. Durch die Bilder eines am Strand in der Türkei angespülten toten syrischen Jungen war Cameron aber unter verstärkten Druck geraten, mehr für Flüchtlinge zu tun.
Deutschland und Frankreich drängten die EU-Kommission, mit den Herkunfts- und Transitländern Rückführungsabkommen zu vereinbaren. In Niger und anderen Staaten sollten Zentren eingerichtet werden, in denen die Flüchtlinge über ihre Aussichten auf Asyl und Schutz in der EU informiert werden sollten, sagte Seibert. Zudem wolle die Bundesregierung erreichen, dass die EU alle Staaten des westlichen Balkans als sichere Herkunftsstaaten einstufe. Asylanträge von Menschen von dort werden schon heute fast komplett abgelehnt.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR forderte die EU auf, Differenzen in der Flüchtlingskrise auszuräumen. Von einer gespaltenen EU profitierten nur Schleuser und Menschenschlepper, warnte Flüchtlingskommissar Antonio Guterres.
Zentrale Anlaufstelle in Griechenland
In einem Punkt wurden die Außenminister in Brüssel dann doch einig: Griechenland - und vor allem die Ägäis-Inseln - sollen Unterstützung von der EU bekommen. In der Hafenstadt Piräus soll bald ein sogenanntes Hotspot-Zentrum öffnen, um dort Flüchtlinge zu registrieren, kündigte der für Migrationsfragen zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos auf der Insel Kos an. In dem Zentrum auf dem griechischen Festland soll festgestellt werden, wer das Recht auf Asyl hat und wer nicht. Neben griechischen sollen auch Beamte aus anderen EU-Staaten in Piräus arbeiten, hieß es.
Auf den Inseln soll es eine erste unbürokratische Registrierung geben. Dazu sollen alte Kasernen wieder öffnen, um die Flüchtlinge vorübergehend aufzunehmen. Danach sollen diese Menschen nach Piräus gebracht werden, sagte Avramopoulos.