Bercow gegen No-Deal-Brexit Kämpfen "bis zum letzten Atemzug"
Der britische Parlamentssprecher ist bekannt für klare Worte. Nun hat er Premier Johnson den Kampf angesagt. Sollte dieser versuchen, für einen harten Brexit das Parlament zu umgehen, bekomme er es mit ihm zu tun.
Seit seinem Amtsantritt droht der britische Premierminister Boris Johnson mit einem Brexit ohne Abkommen mit der Europäischen Union. Johnsons vorrangiges Ziel ist, dass Großbritannien die EU am 31. Oktober verlässt - zur Not auch ohne den Segen des Parlaments.
Doch im Unterhaus wächst der Widerstand gegen Johnsons Pläne. Eine Mehrheit der Abgeordneten ist gegen einen ungeordneten Austritt aus der EU. Nun fand auch Parlamentssprecher John Bercow deutliche Worte. Er werde "bis zum letzten Atemzug" kämpfen, um zu verhindern, dass Johnson das Parlament aushebele. Das Parlament müsse auf alle Fälle an den Entscheidungen beteiligt werden, sagte Bercow bei einer Rede im schottischen Edinburgh, aus der mehrere Medien zitieren.
Parlament auflösen, Brexit durchsetzen
Hintergrund der Befürchtungen, das Parlament könnte beim Ausstieg aus der EU umgangen werden, sind Spekulationen, Johnson könne eine baldige Neuwahl anstreben und diese für den 1. November ansetzen - den Tag nach dem von ihm angestrebten Brexit.
Johnsons Chefberater Cummings gilt als treibende Kraft hinter der Idee, das Parlament auszuhebeln.
Johnsons Chefberater Dominic Cummings, der als treibende Kraft für ein solches Szenario gilt, hatte die Idee ins Spiel gebracht und erläutert, Johnson könne eine Neuwahl nach einem verlorenen Misstrauensvotum hinauszögern und einen ungeordneten Brexit durchsetzen, während das Parlament in einer Interimsphase aufgelöst sei.
Johnson hatte ausdrücklich nicht ausgeschlossen, notfalls dem Parlament eine Zwangspause aufzuerlegen und es so zeitweise handlungsunfähig zu machen. "Wir können keine politische Situation haben, in der das Parlament ausgeschlossen wird - wir sind eine demokratische Gesellschaft", sagte Bercow.
"Ein Kabinett nicht gewählter Leute"
Das Parlament werde angehört, "und meines Erachtens wird es niemand schaffen, dies zu verhindern", fügte der 56-Jährige hinzu, der beim Brexit-Referendum 2016 mit "Remain", also für einen EU-Verbleib gestimmt hatte. Sollte es Versuche geben, das Parlament zu umgehen oder gar zu schließen, werde er mit aller Entschiedenheit dagegen vorgehen, sagte Bercow.
Der frühere Finanzminister Philip Hammond warnte in der "Times" Johnson davor, mit einem Kabinett "nicht gewählter Leute" die Chancen auf einen geregelten Brexit zu zerstören. Hammond sagte, Johnson mache nicht den Eindruck, als sei er auf dem richtigen Weg, um ein Abkommen mit der EU zu erreichen.
Ein Brexit ohne Vertrag wird sowohl in Großbritannien als auch in der EU gefürchtet, weil in dem Fall mit heftigen wirtschaftlichen Rückschlägen gerechnet wird. Allerdings gibt es im Unterhaus auch eine Mehrheit gegen einen Ausstieg ohne Abkommen. Die EU lehnt Neuverhandlungen über den vorliegenden Brexit-Vertrag ab.