Ein Jahr Flüchtlingsabkommen Warum der Pakt immer noch hält
Überfüllte Flüchtlingsboote, Menschen in Lebensgefahr - auch solche Bilder haben EU und Türkei vor einem Jahr zu einem Flüchtlingsabkommen bewogen. Der Erfinder dieses Paktes zieht nun Bilanz. Ein Ende würde beiden Seiten schaden, meint er.
Große Schlauchboote. Berge von orangefarbenen Rettungswesten. Flüchtlinge in goldenen Wärmefolien. Seit es den EU-Türkei-Deal gibt, sind diese Bilder verschwunden. Denn es kommen kaum mehr Flüchtlinge über die Türkei nach Griechenland. Und doch laufe vieles bis heute nicht gut, kritisiert Gerald Knaus, Chef der Denkfabrik "Europäische Stabilitätsinitiative" und Erfinder des Abkommens: "Wir haben Aufnahmebedingungen, die für die Europäische Union wirklich eine Schande sind."
Die Unterbringung der Flüchtlinge auf den griechischen Insel sei noch immer katastrophal. Menschen lebten im Winter in Zelten. Frauen und Männer seien nicht getrennt untergebracht. Es gibt kaum Sicherheitspersonal und viel zu wenige Beamte, die die Asylanträge der Flüchtlinge bearbeiten, kritisiert der Politikberater: "All diese grundlegenden Standards, die im EU-Recht und allen unseren nationalen Rechten vorgesehen sind, für die Behandlung von Flüchtlingen, dass die nicht erfüllt sind, da mangelt es nicht an Ressourcen, da mangelt es einfach an politischer Ernsthaftigkeit."
EU müsste Verantwortung übernehmen
Politische Ernsthaftigkeit, die in Brüssel und den EU-Ländern fehlt, meint der Österreicher. Bei einem solchen Großprojekt müsse die Europäische Union Verantwortung übernehmen. Doch auch gegen die griechische Regierung erhebt Knaus Vorwürfe. Er kritisiert, "dass Griechenland nicht selbst mit dem richtigen Konzept an die EU herangetreten ist. Denn die EU kann es den Griechen ja natürlich nicht aufzwingen".
Seine Hoffnung ist, dass alle Beteiligten endlich mehr dafür tun, damit sich die Lage in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln verbessert.
Das Abkommen - nur eine Willensbekundung
Ein Jahr EU-Türkei-Deal: ein Abkommen, das übrigens kein Rechtstext ist, sondern nur eine politische Willensbekundung. Doch wie stark ist der politische Wille noch? Besteht die Gefahr, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan durch die derzeitigen Spannungen die Vereinbarung kippt? "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Türkei das Abkommen selbst vorgeschlagen hatte ,und sie hat ein großes Eigeninteresse daran, das es weiterbesteht", meint Knaus. "Die Türkei hat zugesagt, Leute zurückzunehmen, in der Erwartung, dass werden einige Tausende seien. Das ist keine besondere Last für die Türkei, die immerhin das Land ist mit den meisten Flüchtlingen der Welt, über zweieinhalb Millionen."
Gleichzeitig gibt es dadurch auch weniger ertrunkene Flüchtlinge, die an die türkische Küste gespült werden. Das Bild des dreijährigen Jungen Aylan aus Syrien ging um die Welt, der tot am Strand in der Nähe der türkischen Touristenhochburg Bodrum angespült wurde.
Ein weiterer Grund sind sechs Milliarden Euro: "Die Türkei kommt von der EU substanzielle, finanzielle Hilfe und Unterstützung bei einem enormen sozialen Problem - nämlich der Integration und Unterstützung der Syrer im Land zu helfen."
Mit dem Ende des EU-Türkei-Abkommens könnte jede Seite dem anderen Schaden zufügen. Aber damit würden sich die Türkei und die EU auch selbst schaden, meint Politikberater Knaus: "Das ist der Grund, warum trotz aller Spannungen, zwischen Brüssel und Ankara oder Berlin und Ankara, das Abkommen bis heute hält."