Reportage

Brände im brasilianischen Pantanal Ein Naturparadies in Flammen

Stand: 22.08.2020 11:09 Uhr

Jaguare, Tapire und seltene Vögel: Sie alle leben im Feuchtgebiet Pantanal in Brasilien. Dieses Jahr sind die Böden dort ungewöhnlich trocken - und nun brennt es heftig. Tiere und Menschen sind bedroht.

Trotz Maske im Gesicht kann man das Entsetzen erkennen, das Paulo Proenca ergreift, während er den Steg zum Fluss Cuiaba betritt. Seit 22 Jahren leitet er ein Hotel am Rande des brasilianischen Pantanal-Feuchtgebiets, das sich auf nachhaltigen Öko-Tourismus spezialisiert hat. In diesen Tagen jedoch ist an Tourismus nicht zu denken. Auf der anderen Seite des Flusses ragt eine monströse braun-gelbe Rauchsäule in den Himmel, die dem Hotel immer näher kommt.  

Ein Tapir flieht vor den Flammen in Brasilien

Ein Tapir flieht vor den Flammen.

Heimat vieler Tiere

Es handelt sich nur um einen von vielen Bränden, die sich derzeit durch das Pantanal-Ökosystem fressen. Das weltweit größte Binnenland-Feuchtgebiet ist Heimat von Jaguaren, Tapiren und den riesigen, exotischen Jaburu-Vögeln. Auch unter deutschen Touristen gilt das Pantanal als beliebtes Reiseziel, weil man nur hier derart viele Tiere in freier Wildbahn beobachten kann.

Landwirtschaft war bislang kaum möglich im Pantanal. Denn jedes Jahr zur Regenzeit schwillt der Cuiaba-Fluss an und ergießt unendlich viel Wasser in die Pantanal-Senke. So steht die Region monatelang unter Wasser, auf dem die Touristenboote normalerweise zur Safari aufbrechen. Normal aber ist derzeit kaum etwas.

Plötzlich flammen die Feuer auf

"Wir müssen an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen", erklärt Feuerwehrmann Sargento Vinicius, als er aufbricht. Der aufkommende Mittagswind hat mehrere Glutherde am Boden angefacht und so innerhalb von nur einer Stunde gewaltige Feuersbrünste entstehen lassen, die jetzt das staubtrockene Urwalddickicht langsam vernichten.

Vinicius sprüht aus seinem gelben Sack unermüdlich Wasser auf die kleineren Feuer, die unmittelbar neben dem Hotel von Proenca aufflammen. Sie entstehen wie aus dem Nichts. Der Boden knistert bei jedem Schritt, kleine Staubwolken werden aufgewirbelt. In der Mittagshitze erreicht das Thermometer täglich 38 Grad - seit Monaten schon.

"Die heftigsten Brände seit mehr als 20 Jahren"

"Diese Brände sind die heftigsten seit mehr als 20 Jahren", sagt Biologin Cristina Cuiabalia, die das angrenzende Naturreservat leitet. Normalerweise steigt im Januar der Pegelstand aller Flüsse an. Diese Überflutung des Geländes schütze den Boden später - nach der Regenzeit - vor dem Austrocknen. Doch in diesem Jahr sei so wenig Niederschlag gefallen, dass der Pegelstand ein bis zwei Meter niedriger gewesen sei als sonst üblich.

"Ein riesiges Gebiet blieb dadurch ohne Feuchtigkeit und war den Bränden schutzlos ausgeliefert", sagt Hotelier Proenca. Bei dem nun staubtrockenen Boden reiche derzeit bereits ein glimmendes Blatt, das der Wind verweht, und das Feuer springe über auf neue Gebiete. Sogar den 100 Meter breiten Cuiaba-Strom könne es so problemlos überwinden. Das macht es für die Feuerwehrmänner umso schwieriger, die vielen Brandherde zu bekämpfen, die täglich tief drinnen im Dickicht entstehen. "Sie können es nicht kontrollieren", klagt Proenca.

Erst die Pandemie, nun die Feuer

Sein Hotel ist bedroht. Weniger durch die Flammen, vor denen es die Rettungskräfte mit Hilfe von zwei Löschflugzeugen beschützen, sondern vielmehr durch die wirtschaftliche Schieflage. Erst musste er wegen der Corona-Pandemie monatelang schließen. Jetzt wegen der Brände. Gleichzeitig verbrennt vor Proencas Augen der ökologische Schatz, den die Touristen aus aller Welt so sehr schätzen - und weswegen sie hierherkommen.

Fragt man ihn nach dem Auslöser für die Brände, zuckt er kurz mit den Schultern. Schuld sei meist die Unachtsamkeit lokaler Kleinbauern. Sie brennen traditionell ihre Felder ab, um diese für die Rinderzucht oder Pflanzungen der nächsten Saison vorzubereiten. Dabei geraten die Feuer oft ungewollt und unbemerkt außer Kontrolle.

Neues Agrarland als Folge?

Oberflächlich gelöscht können sie unterirdisch weiterglimmen und Hunderte Meter entfernt wieder an der Oberfläche auftauchen. In einem extrem trockenen Jahr wie 2020, sagt der Hotelmanager mit einem Kopfschütteln, habe das katastrophale Folgen. Die Brände könnten mittelfristig dazu führen, dass an die Stelle des zerstörten Urwalds neue Agrarflächen treten. Deshalb könne er absichtliche Brandstiftung auch nicht ausschließen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet das Erste im Weltspiegel am 23. August 2020 um 19:20 Uhr.