Brexit-Aufschub EU lässt London warten
Angesichts der Gemengelage in London will die EU erst kommende Woche über eine erneute Brexit-Verschiebung entscheiden. Möglicher Hintergrund: Brüssel will sich nicht in die britische Innenpolitik einmischen.
Die Europäische Union hat ihre Debatte über eine Verlängerung der Brexit-Frist vertagt. Man habe heute noch keine Entscheidung getroffen, teilte eine Sprecherin der Kommission am Mittag mit. Die Frage werde bei einem weiteren Treffen in der kommenden Woche angegangen.
Zuvor hatten sich die EU-Botschafter mit dem europäischen Brexit-Unterhändler Michel Barnier getroffen. Aus Diplomatenkreisen war zu hören, dass dabei grundsätzlich aber Einigkeit darüber geherrscht habe, dass es einen Aufschub geben solle und dass die EU eine einstimmige Entscheidung im Konsens treffen wolle. Die Mitgliedsstaaten würden sich über das Wochenende beraten.
Der Brexit-Unterhändler der EU, Michel Barnier, nach dem Treffen in Brüssel: Konnten uns noch nicht einigen.
Aufschub wird zur Gratwanderung
Damit zieht sich das Brexit-Drama weiter. Hintergrund für die Nicht-Entscheidung in Brüssel dürfte gewesen sein, dass die EU kein eindeutiges Signal nach London senden wollte, mit dem sich die Staats- und Regierungschefs indirekt in die britische Innenpolitik eingemischt hätten.
Denn hätten die verbliebenen 27 EU-Länder eine betont kurze Verlängerungsfrist gesetzt, wie es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sich wünscht, dann lautete das unausgesprochene Signal ans britische Parlament: "Macht endlich voran mit der Ratifizierung!"
Gäbe die EU den Briten hingegen noch bis zum 31. Januar Zeit, hieße die implizite Botschaft: "Lasst Euch Zeit!" Auf die Gefahr hin, dass der Deal im Parlament zerredet wird und letztlich scheitert.
Im Gespräch ist derzeit auch eine sogenannte "Flextension" - also eine flexible Verlängerung. Sollten die Briten noch in diesem Jahr den Deal durchs Parlament bringen, könnten sie umgehend die EU verlassen. Wenn nicht, dann würde der 31. Januar als neuer Austrittstermin gelten.
Macron vertritt eine härter Linine: Er will dem britischen Premierminister Boris Johnson nur bis Mitte November Zeit geben, den Deal mit der EU durch das britische Parlament zu bringen.
EU hat von Johnson nichts zu erwarten
Eigentlich ist es die Aufgabe Johnsons, der EU einen Zeitraum zu nennen. Doch vom britischen Premier hat die EU in dieser Angelegenheit wenig zu erwarten. Im Gegenteil: Er hatte nach Informationen von Diplomaten Macron angerufen und ihm geraten, gegen eine Verlängerung des Austrittstermins zu stimmen - damit er sein vollmundiges Versprechen, die Briten wären am 31. Oktober raus aus der EU, einhalten kann.
Johnson fordert inzwischen Neuwahlen am 12. Dezember. Ob er die dafür nötige Mehrheit im Parlament erhält, ist aber unklar. Das Unterhaus könnte darüber am Montag befinden.
Mit Informationen von Ralph Sina, ARD-Studio Brüssel