Rücktritt von Brexit-Minister Regierung bröckelt - Wirtschaft sorgt sich
Zwar hat Premierministerin May schnell einen Nachfolger für ihren Brexit-Minister gefunden. Doch die Sorge vor einem Dominoeffekt im Kabinett bleibt. Dabei benötigt May gerade jetzt Rückhalt.
Kurz nach der Einigung auf einen neuen Brexit-Plan schien die britische Premierministerin Theresa May noch erleichtert. 48 Stunden später tritt ihr Brexit-Minister David Davis am späten Sonntagabend zurück. Sein Stellvertreter Steve Baker folgte ihm.
Er könne den neuen Kurs nicht mittragen, sagte Davis im Interview mit der BBC. Stürzen wolle er die Premierministerin aber nicht.
David Davis ist am Sonntagabend zurückgetreten.
Druck auf Regierung
Er hoffe, sein Rücktritt habe einen Nebeneffekt: "Ich will damit Druck auf die Regierung ausüben. Sie soll keine weiteren Zugeständnisse gegenüber der EU machen. Und ich werde weiter insistieren, dass es bessere Wege gibt, wie Großbritannien aus der EU ausscheiden kann", sagte Davis.
Davis erklärte in einem Schreiben an May, dass die eingeschlagene politische Richtung das Land in eine schwache Verhandlungsposition bringe, aus der die Regierung möglicherweise nicht mehr herauskomme. May widersprach diesem Vorwurf. Sie dankte dem Brexit-Minister in einem Brief für seine Arbeit in den vergangenen zwei Jahren.
Reaktionen auf den Rücktritt kamen prompt. Der Labour-Parteichef Jeremy Corbyn twitterte: "Dass David Davis in einem so wichtigen Moment zurücktritt, zeigt, dass May keine Autorität mehr hat und nicht in der Lage ist, den Brexit zu vollziehen."
Wirtschaft sorgt sich
Die Chefin des britischen Industrieverbands CBI, Carolyn Fairbairn, kritisiert den Rücktritt: "Das ist ein wirklicher Schlag. Die Wirtschaft hat die Einigkeit, die das Kabinett am Freitag demonstriert hat, sehr begrüßt. Monatelang waren sie zu keiner Entscheidung in der Lage. Die Unsicherheit für die Wirtschaft ist groß." Nun sei die Frage, was jetzt passiere. Die Zeit dränge.
In rund neun Monaten soll Großbritannien die EU verlassen. Bislang konnte May mit ihren komplizierten Vorschlägen einer Zollpartnerschaft bei der EU nicht punkten.
Die Wirtschaft hatte den Stillstand bei den Brexit-Verhandlungen immer wieder kritisiert. Insbesondere Airbus warnte: Im schlimmsten Fall, wenn sich die Verhandlungsteams aus London und Brüssel nicht einigen, könne der EU-Austritt dazu führen, dass der Konzern sich von der Insel verabschiede. In den letzten Wochen vollzog May eine Kehrtwende - hin zu einem weicheren Brexit.
Am vergangenen Freitag war das Kabinett zu einer Sondersitzung auf dem Landsitz der britischen Premierministerin in Chequers zusammengekommen. May hatte auf ihre Minister Druck ausgeübt. Wer sich gegen sie stelle, werde entlassen. Vor Beginn der Sitzung mussten alle ihre Handys abgeben. Doch Kündigungen gab es am Ende nicht. Selbst Außenminister Boris Johnson, der bekanntermaßen für einen harten Bruch mit der EU steht, äußerte sich zwar abfällig, die Pläne seien "Mist". Am Ende stimmte er der Linie von May jedoch zu.
Theresa May lobte in einem Brief die Arbeit von David Davis.
Im neuen Brexit-Plan strebt May eine Freihandelszone für Güter an, die den reibungslosen Handel mit der EU gewährleisten soll. Dadurch würde eine Grenze mit Kontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland vermieden. Der Dienstleistungssektor soll ausgenommen bleiben.
Löst Davis Kettenreaktion aus?
Der Rücktritt ihres Brexit-Ministers ist für May ein harter Schlag. In britischen Medien wird gemutmaßt, dass weitere Minister Davis' Beispiel folgen werden.
Gesundheitsminister Jeremy Hunt appellierte an die Geschlossenheit des Kabinetts: "Am Ende schadet unserem Land am meisten, wenn wir nicht hinter unserer Premierministerin stehen. Es könnte zu einer Brexit-Lähmung kommen. Wenn wir den Brexit liefern wollen, für den die Briten gestimmt haben, dann müssen wir uns hinter Theresa May stellen."
May hat sich selbst noch nicht öffentlich geäußert. Doch der neue Brexit-Minister steht fest: Dominic Raab - Minister für Wohnungswesen, ein Brexit-Hardliner.