"Brexit"-Debatte im EU-Parlament "Bis uns Cameron sexy findet - so nicht!"
Großbritannien ist ein Zwerg ohne Europa - und Europa ohne Großbritannien auch, so hieß es heute im EU-Parlament. In hitziger Debatte stritten die Abgeordneten über einen EU-Austritt Großbritanniens und darüber, wie der verhindert werden kann.
Fällt Europa vor David Cameron auf die Knie und verrät im Prozess des Anflehens, dass er doch bitte die Insel in der EU halten möge, seine eigenen Werte? Oder ist es nicht viel mehr als ein Almosen, das die Europäer dem britischen Premier zugestehen wollen? Dass es über diese Fragen im EU-Parlament unterschiedliche Ansichten geben würde, ist keine Überraschung. SPD-Politiker Knut Fleckenstein erteilt immer neuen Zugeständnissen an Großbritannien eine Absage: "Die EU immer weiter zu verwässern, bis Herr Cameron uns endlich sexy findet - so geht es nicht."
Kaum verwunderlich, dass der Chef der britischen Unabhängigkeits-Partei UKIP, Nigel Farage, das ganz anders sieht. Der sitzt zwar auch im EU-Parlament, würde aber gerne so schnell wie es geht, dieses wieder verlassen, da er vehement für den Austritt der Briten aus der EU kämpft: "Alles, was wir bekommen haben, ist ein Brief vom EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Von Vertragsveränderung ist da keine Rede. Wir bekommen auch nicht die Kontrolle über unser Grenzen zurück. Es hat sich nicht gelohnt, auf den Brief zu warten."
"Großbritannien ist ohne Europa ein Zwerg"
Die Rede Farages dürfte einen Vorgeschmack darauf gegeben haben, wie hart es für Premier Cameron werden dürfte, den Briten bei dem geplanten Referendum zu vermitteln, dass sie in der EU doch deutlich besser aufgehoben wären als außerhalb. Der liberale und bekennende Pro-Europäer Guy Verhofstadt versuchte, ihm schon einmal ein paar Argumente zu liefern:
Es wäre ein Riesen-Fehler, wenn die Briten die EU verließen. Nicht so sehr wirtschaftlich. Sondern geopolitisch. Ohne Europa ist Großbritannien ein Zwerg. Wir Belgier wissen bereits, dass wir ein Zwerg sind, vielleicht kapieren es auch die Briten.
Umgekehrt gelte übrigens Selbiges, so Verhofstadt: Ohne die Briten sei die EU ein nicht ernstzunehmendes Gegengewicht im Vergleich mit China, im Vergleich mit Russland: "Am Ende ist es Putin, der russische Präsident, der bei diesem Spiel gewinnt. Putin will ein gespaltenes Europa. Sowohl Herr Putin als auch Herr Farage wollen das."
Eine maßgeschneiderte Lösung für die Briten
Es ist kein Geheimnis, dass Europa sich überhaupt so intensiv mit Camerons Wünschen auseinandersetzt, weil es die Briten in der EU behalten möchte. Vielleicht muss. Weil es - von Euro- und Flüchtlingskrise geschwächt - selten vom Auseinanderbrechen so bedroht war wie jetzt. Jedenfalls hat EU-Ratspräsident Tusk dem britischen Premier eine sogenannte "Notbremse" angeboten, mit Hilfe derer er für bis zu vier Jahre Sozialleistungen von EU-Einwanderern beschränken könnte. Das sei ein für die Briten "maßgeschneidertes" Instrument, erklärte dazu jetzt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Wobei auch klar ist: Sobald ein anderes EU-Land nachweisen kann, dass es sich in einer Notlage befindet, könnte es ebenso auf diese Bremse treten. Das alles ist nicht unumstritten.
Juncker aber verteidigte das vorgeschlagene Reform-Paket: "Der Kompromiss, der auf dem Tisch liegt, ist fair: für Großbritannien. Und auch für die anderen 27 EU-Mitgliedstaaten."
Nun müssen alle prüfen
Nun sind eben jene 27 anderen EU-Mitgliedstaaten gefragt. Sie müssen prüfen, ob Europa aus ihrer Sicht zu sehr in die Knie und das Kompromisspapier aus ihrer Sicht zu weit geht. Oder ob sie damit zufrieden sind. Anschließend sind dann die Briten dran, die darüber abstimmen, ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht.