Brexit-Verhandlungen Tusk knöpft sich Johnson vor
Die Zeit wird knapp, der Ton rauer: EU-Ratspräsident Tusk hat Premier Johnson vorgeworfen, nicht ernsthaft an einer Lösung im Brexit-Streit interessiert zu sein. Auch in London glaubt man offenbar nicht mehr an eine Einigung.
Im Brexit-Streit ist EU-Ratspräsident Donald Tusk den britischen Premierminister Boris Johnson mit scharfen Worten angegangen. Es gehe nicht um das Gewinnen eines "dummen Schwarze-Peter-Spiels", schrieb Tusk auf Twitter. Es gehe um die Zukunft Europas und Großbritanniens, um die Sicherheit und die Interessen der Menschen. "Sie wollen keinen Deal, Sie wollen keine Fristverlängerung, Sie wollen den Austritt nicht widerrufen, quo vadis?", fragte Tusk in Richtung Johnson.
Einigung kaum noch möglich?
Kurz vorher hatte die britische Regierung nach einem Telefonat Johnsons mit Bundeskanzlerin Angela Merkel durchsickern lassen, dass London nicht mehr an eine Einigung mit der EU glaube. Die Bundesregierung bestätigte, dass das Gespräch stattgefunden hat, äußerte sich aber nicht zu dessen Inhalt.
Aus einer britischen Regierungsquelle hieß es, Merkel habe von Johnson Kompromissbereitschaft in der Frage der Grenze zwischen Irland und Nordirland gefordert. Ansonsten sei ein Brexit-Abkommen "extrem unwahrscheinlich".
In einem Telefonat zwischen Merkel und Johnson gab es offenbar keine Annäherung.
Merkel verlangte demnach, London solle seinen Widerstand gegen einen Verbleib der britischen Provinz Nordirland in der EU-Zollunion aufgeben. Kernforderung Londons ist hingegen, dass Nordirland nach dem Brexit in einer Zollunion mit Großbritannien bleibt. Kontrollen im Warenhandel mit dem EU-Mitglied Irland sollen aber nicht an der Grenze, sondern "dezentralisiert" über Online-Formulare und Überprüfungen auf Firmengeländen und entlang der Lieferkette erfolgen.
Die EU zweifelt an der Umsetzbarkeit dieses Vorschlags und ist außerdem dagegen, dass das nordirische Parlament alle vier Jahre entscheiden soll, ob diese Regelung beibehalten wird.
EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober
Derzeit beraten die Unterhändler der EU-Kommission und Großbritanniens intensiv in Brüssel, um den drohenden ungeregelten Brexit am 31. Oktober noch abzuwenden. Die Gespräche befinden sich EU-Quellen zufolge erneut in einer Sackgasse.
Sollte sich Johnson weigern, Änderungen am von seiner Regierung vorgelegten Ausstiegsplan vorzunehmen, gebe es kaum Hoffnung auf einen Durchbruch, hieß in Brüssel aus EU-Kreisen. Die EU verlangt aber bis zum Freitag einen Durchbruch, damit den Mitgliedstaaten vor dem EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober ein Rechtstext zur Beratung vorgelegt werden kann.