Brexit-Verhandlungen Trippelschritte und Sandwiches
Eine Lösung im Brexit-Streit scheint noch möglich. In Brüssel wird seit dem Abend verhandelt - unterbrochen nur vor einer kurzen Ruhepause mit Sandwiches. Die Frage lautet: Reicht die Zeit noch?
Dass sich die Gespräche so lange hinziehen - das immerhin sei ein gutes Zeichen, heißt es hier in Brüssel. Auch der französische Außenminister Jean Yves Le Drian bewertet den Verhandlungsmarathon "eher positiv".
Die ganze Nacht hindurch haben die Teams beider Seiten im fünften Stock des Berlaymont-Gebäudes, dem Sitz der EU-Kommission, miteinander konferiert. Unterbrochen nur von einem Imbiss mit Sandwiches, Pasta und Salat - und einer kurzen Ruhepause. Am späten Nachmittag will Chefunterhändler Michel Barnier über den Stand der Dinge berichten.
Hoffen auf den Durchbruch in letzter Minute
Details über den Inhalt der Verhandlungen dringen kaum nach außen. EU-Diplomaten deuten lediglich an, dass die berühmte "Einigung in letzter Minute" noch möglich sei. So hätten die Experten inzwischen damit begonnen, das britische Kompromissangebot von vergangener Woche in einen verbindlichen Rechtstext zu übertragen.
Dieser Entwurf für einen möglichen Brexit-Deal könnte, wenn er rechtzeitig fertig wird, den Staats- und Regierungschefs beim morgigen EU-Gipfel vorgelegt werden. Am Samstag könnte dann das Unterhaus in London darüber abstimmen.
Hauptknackpunkt bei den Brexit-Gesprächen ist die Frage, wie eine harte Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland vermieden werden kann.
Dabei fällt aktuell immer wieder das Wort Zollpartnerschaft, über die beide Seiten derzeit offenbar verhandeln. Die Idee: Um beim Warenverkehr Zollkontrollen auf der irischen Insel überflüssig zu machen, würde die Zollgrenze faktisch in der Irischen See verlaufen.
"Nordirland wäre rechtlich gesehen im Zollgebiet des Vereinigten Königreichs, aber de facto wäre es im Zollgebiet der Europäischen Union", zitiert der britische "Guardian" einen Diplomaten. Dieses Modell hätte aber möglicherweise zur Folge, dass Großbritannien im Auftrag der EU beim Transport von Waren über die Irische See nach Nordirland Zollkontrollen übernehmen müsste.
Ein ähnlicher Vorschlag war schon einmal diskutiert und verworfen worden. Die damalige Regierungschefin Theresa May hatte betont, kein britischer Premierminister könne dies akzeptieren.
Aus deutschen Regierungskreisen ist jedoch zu hören, die Einzelheiten seien extrem kompliziert und es gebe noch Differenzen. Zentraler Streitpunkt ist die Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland auch künftig offen gehalten werden kann.
Zur Debatte steht eine sogenannte Zollpartnerschaft, die Kontrollen in die Häfen und auf See verlagern und weitgehend an die britischen Behörden delegieren würde. Die EU müsste dies aber überprüfen und im Streitfall einschreiten können, damit der gemeinsame Binnenmarkt geschützt bleibt.
Der nächste Sondergipfel zeichnet sich ab
Selbst wenn es bis morgen einen Durchbruch gibt: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sehr wahrscheinlich ein Brexit-Sondergipfel gegen Ende des Monats nötig wird. Auch ist eine erneute, zumindest kurze Verschiebung des Austrittstermins am 31. Oktober nicht auszuschließen. Dies möchte der britische Premier Boris Johnson bekanntlich um jeden Preis vermeiden.