NATO-Erweiterung Der Preis der türkischen Zustimmung
Die Türkei streitet mit der NATO über eine mögliche Aufnahme Schwedens und Finnlands. Beim Treffen von US-Außenminister Blinken mit seinem Kollegen Cavusoglu dürfte es um den Preis der Zustimmung gehen.
Der Istanbuler Experte für Außenpolitik, Uluc Özülker, bringt es auf den Punkt: "Es gibt mehr als ein Dutzend Probleme zwischen uns und den USA."
Da wäre der Streit um die Kurdenmiliz YPG. Für die Türkei ist sie ein Ableger der kurdischen PKK in Nordsyrien, für die USA ein Partner im Kampf gegen die islamistische Terrormiliz IS.
Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist das absolut inakzeptabel: "Tatsächlich haben alle Regierungen der USA der letzten Jahre die Terrororganisation PKK und ihre Ableger in Nordsyrien finanziell unterstützt. Und sie haben mit Lastwagen Werkzeug, Ausrüstungen und Munition dorthin transportiert."
Streitpunkt PKK
Schweden und Finnland wirft Erdogan vor, Gästehaus und Brutstätte für die PKK zu sein. Er verlangt, dass damit Schluss ist. Experte Özülker erklärt:
Die PKK ist keine Angelegenheit, in der verhandelt werden kann. In vielen anderen Bereichen gibt es Spielraum. Aber durch die PKK sind in der Türkei 40.000 Menschen gestorben. Das ist verheerend. Ich gehe also davon aus, dass die Türkei Widerstand gegen einen Beitritt Schwedens leisten wird und auch den USA gegenüber standhaft bleibt.
Neben der PKK geht es Ankara auch um die Gülen-Bewegung, in ihren Augen ebenfalls eine Terrororganisation. Denn sie macht den islamischen Prediger Fetullah Gülen für den Putschversuch 2016 verantwortlich. Und der lebt unbehelligt in den USA. Erdogan will ihm aber in der Türkei den Prozess machen und verlangt seit Jahren ihn auszuliefern. Es ist nicht zu erwarten, dass Washington sich da jetzt bewegt.
Streitpunkt Waffengeschäfte
Ähnlich festgefahren war die Lage lange Zeit beim Thema Waffengeschäfte. 2019 flog die Türkei aus einem gemeinsamen Entwicklungsprogramm in den USA für das neue F-35-Kampfflugzeug. Es war Washingtons Reaktion darauf, dass sie zuvor ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft hatte.
Schließlich schwenkte die Türkei vor einigen Monaten auf den US-Kampfjet F-16 um - mit Chancen, ihn auch zu bekommen, sagt der türkische Experte für Internationale Beziehungen, Soli Özel. Der NATO-Streit wegen Schweden und Finnland könnte das gefährden, warnt er:
Das kommt ausgerechnet in einer Zeit, in der die Biden-Regierung dem Verkauf von F-16 Kampfjets an die Türkei wohl zustimmt und ihn im Einklang mit ihren Interessen sieht.
Für seinen Kollegen Özülker ist genau das ausgeschlossen:
Dafür müsste sich die US-Führung mit dem Kongress einen echten Kampf liefern. Aber Präsident Biden ist nicht stark genug, um im Kongress alles durchzusetzen, was ihm vorschwebt.
Cavusoglu deutet Verhandlungsbereitschaft an
Erdogan kann sich der Rüstungslieferung also nicht sicher sein. Für Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn legt er es deshalb auf einen Streit mit der NATO an und stellt Forderungen. Der türkische Präsident hätte demnach den Weg für seinen Außenminister Mevlüt Cavusoglu beim Treffen mit dessen US-Amtskollegen Antony Blinken bereitet. Cavusoglu hatte am Wochenende schon angedeutet, dass das "Ja" der Türkei zu den NATO-Beitritten Schwedens und Finnlands Verhandlungssache ist.
Am Ende gibt es aber auch ein Thema, bei dem sich Washington und Ankara ziemlich einig sind: Zwischen Russland und der Ukraine muss es so schnell wie möglich einen Waffenstillstand geben, die Lage für die Menschen in der Ukraine muss sich verbessern und der Krieg aufhören. Dass sich Erdogan als Vermittler versucht, hatte sein US-Kollege Joe Biden schon im März gelobt.