Charles III. auf Staatsbesuch Royale Wiederannäherung
Der Staatsbesuch von Charles III. und seiner Frau Camilla gilt vielen als Wiederannäherung an Europa und Deutschland - nach der Entfremdung durch den Brexit. Britische Konservative sprechen gar vom "europäischen König". Von Annette Dittert.
Der Staatsbesuch von Charles III. und seiner Frau Camilla gilt vielen als Wiederannäherung an Europa und Deutschland - nach der Entfremdung durch den Brexit. Britische Konservative sprechen gar vom "europäischen König".
Es ist mehr als ein halbes Jahrhundert her, seit Elizabeth II. mit ihrem ersten Deutschlandbesuch 1965 das Ende der unmittelbaren Nachkriegszeit und den Beginn der deutsch-britischen Versöhnung einläutete. Heute, beim allerersten Staatsbesuch des neuen britischen Königs, stehen die engen historischen Bande zwischen Deutschland und Großbritannien wieder im Zentrum der königlichen Visite, diesmal aber auf ganz andere Weise: Als eine Wiederannäherung nach der Entfremdung der langen Jahre nach dem Brexit.
Mit Charles III. komme ein "europäischer König" nach Deutschland, schreiben manche konservativen Medien auf der Insel jetzt, ein König, dessen enge persönliche Beziehungen zu Deutschland ihn auf besondere Weise befähigen dürften, eine neue Nähe zwischen London und Berlin voranzutreiben.
Staatsbesuch im Sinne des Premierministers
Ein Staatsbesuch ist das, der nicht nur verfassungsgemäß im Auftrag der britischen Regierung geschieht, sondern auch sonst ganz im Sinne des neuen britischen Premierministers Rishi Sunak sein dürfte. Der hat sich die allmähliche britische Wiederannäherung an die EU zu einer zentralen Aufgabe gemacht, um die durch den Brexit angeschlagene britische Wirtschaft wieder aufzurichten.
Das in der letzte Woche nun auch im britischen Unterhaus verabschiedete "Windsor Framework", die Einigung mit Brüssel im ewigen Streit um das Nordirland-Protokoll, war der erste große Schritt hin zu mehr gegenseitigem Vertrauen und engerer Zusammenarbeit.
Ein Kompromiss, den Sunak zu Recht für sich als ersten großen politischen Erfolg seiner Amtszeit verbuchen konnte, der für ihn aber auch ein schwieriger Balance-Akt bleibt, denn ein Großteil seiner eigenen Tory-Partei akzeptiert die Notwendigkeit einer Wiederannäherung an die EU weiter nur widerstrebend.
Brexit-Ultras kritisierten Treffen mit von der Leyen scharf
Und so kam es auch gleich zum Streit, als Sunak den neuen König Ende Februar bereits im Vorfeld der Verhandlungen um das Nordirland-Protokoll für seine Charmeoffensive gegenüber Europa einsetzen wollte und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Audienz im Buckingham Palast in Aussicht stellte.
Die rechte, brexit-freundliche Presse schrie empört auf, das sei ein Bruch der in der Verfassung vorgesehenen Neutralität der britischen Krone. Der Brexit-Ultra Jacob Rees-Mogg erklärte gar, es sei "verfassungsmässig unklug", den König in eine politische Kontroverse zu ziehen, die EU-Kommissionschefin sei schließlich kein offizielles Staatsoberhaupt.
Sunak aber blieb dabei, der Besuch von der Leyens im Palast fand statt, wenn auch etwas später als ursprünglich vorgesehen, nämlich erst nachdem er und die EU-Kommissionschefin in Windsor ihren Kompromiss verkündet hatten.
König Charles III. empfängt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, während einer Audienz auf Schloss Windsor. Nach jahrelangem Streit über die Brexit-Sonderregeln für Nordirland erzielten Großbritannien und die EU eine Einigung.
Charles III. ist kein "unbeschriebenes Blatt"
Für Charles und seine Stellung als König sind solche Verwicklungen in die nach wie vor kontroverse Post-Brexit-Politik nicht ungefährlich, ist er doch, anders als seine Mutter, die als junge Frau als weitgehend unbeschriebenes Blatt auf den Thron kam, ein Monarch, der vor seiner Thronbesteigung ein langes Leben als politischer Aktivist hinter sich gebracht hat.
Sein jahrzehntelanges Eintreten für den Klimaschutz mag mittlerweile als überparteiliche Mission zur Rettung des Planeten durchgehen, auf anderen Ebenen aber steht sein bisheriges Engagement deutlich quer zu der Politik der zunehmend rechtspopulistischen britischen Regierung.
Seine vielfältigen Stiftungen, wie der Prince’s Trust, die sich um das Schicksal sozial Benachteiligter kümmern, Charles' regelmäßige Empfänge für Flüchtlinge und politisch Verfolgte passen nicht zu einer Regierung, die mit zunehmend drakonischen Gesetzen das Grundrecht auf Asyl demnächst ganz abschaffen will und offen diskutiert, zu diesem Zweck sogar aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten zu wollen. Ein Schritt, den im Übrigen weltweit bislang nur Russland und Belarus vollzogen haben.
Auch ein Monarch kann Zeichen setzen
Natürlich weiß Charles nur zu gut, dass er als König seine politischen und weltanschaulichen Überzeugungen nur noch in leisen Tönen andeuten kann, und in seiner ersten Rede nach dem Tod seiner Mutter hat er das auch offen angesprochen. Er mag offiziell das britische Staatsoberhaupt sein, die britische Monarchie aber ist eine konstitutionelle, das heißt, sie muss politisch weitestgehend neutral sein.
Aber er kann Zeichen setzen, diskret und indirekt, und das scheint er auch weiter vorzuhaben. Als Liz Truss ihm im vergangenen Herbst die Reise zum COP27, dem Klimagipfel in Scharm El-Scheich, verbot, lud er kurzerhand zu einem COP27-Empfang in den Buckingham Palast, und alle kamen, auch die Regierung. Die Macht eines britischen Königs, Menschen zusammenzubringen und auf diese Weise symbolhaft Themen zu setzen, ist keine geringe, wer sagt schon ab, wenn er in den Palast geladen wird.
Ökologisch bewegter Prinz of Wales populär in Deutschland
Und so steht auch sein heute beginnender Staatsbesuch in Deutschland ganz im Zeichen der Themen, die ihn ein Leben lang beschäftigt haben. Wenn er am Donnerstagmorgen in Tegel ein Zentrum für ukrainische Flüchtlinge besucht, ist das natürlich auch ein Signal nach London.
Wenn er sich auf dem Wittenbergplatz mit deutschen Bio-Bauern trifft und der Empfang im Schloss Bellevue unter der Überschrift "Energiewende und Klimaschutz" stattfindet, dann ist klar, dass Charles seine Rolle als Monarch bei aller Vorsicht auch weiterhin inhaltlich konkreter und politischer als seine verstorbene Mutter ausfüllen will.
Wenig Kontroversen erwartet
In Berlin und Hamburg dürfte das in den nächsten Tagen zu wenig Kontroversen führen. Im Gegenteil, der ökologisch bewegte Prince of Wales war in Deutschland jahrzehntelang deutlich populärer als in Großbritannien selbst. Umso interessanter wird es aber sein, wie der Besuch des neuen Königs auf der Insel selbst wahrgenommen wird.
Ein "europäischer König", der im Auftrag seiner Regierung die Kontroversen der polarisierenden Brexit-Jahre gemeinsam mit den europäischen Partnern allmählich zu einem Abschluss führen will, dürfte zumindest bei den Tories nicht allen gefallen.