Conte vor dem EU-Videogipfel Hart oder smart?
Italiens Premierminister Conte steht heute unter immensem Druck, wenn die EU-Staats- und Regierungschef per Video konferieren. Im Streit um die Corona-Hilfen aus Brüssel schlägt Conte gerne zwei verschiedene Töne an.
Es gibt nicht einen Giuseppe Conte. Es gibt zwei. Der eine präsentierte sich in den vergangenen Wochen in diversen Interviews in europäischen Partnerländern. Der smarte Conte. Der unter anderem in der ARD verbindlich-konstruktiv über die europäischen Antworten in der Coronakrise sprach.
Europa muss zeigen, ob es das gemeinsame Haus für die europäischen Bürger ist, das es schafft, angesichts einer epochalen Herausforderung eine angemessene Antwort zu geben - auf der Höhe seiner Aufgaben, für die es erdachte wurde von Schuman, Adenauer, de Gasperi.
Vor dem heimischen Publikum in Italien tritt der andere Giuseppe Conte auf. Der einen schärferen Ton spricht und populistisch zuspitzen kann. Zum Beispiel, wenn er im Staatsfernsehen Rai sagt, was die EU tun müsse, um Italien zu helfen:
ESM nein, Eurobonds sicher ja. Der Euro-Rettungsfonds ESM ist absolut unangemessen. Die Eurobonds dagegen sind die Lösung.
Giuseppe Conte, hart statt smart. Faust auf den Tisch statt Charmeoffensive.
Conte muss nun liefern
Entsprechend steht der Ministerpräsident heute daheim unter Druck zu liefern im EU-Videogipfel. Unter anderem bei den Stichworte ESM und Eurobonds, um die sich in Italien die Diskussion um Europas Hilfen hauptsächlich dreht. Befeuert unter anderem von der rechten Opposition. Ein mögliches Ja Contes zu den angebotenen Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM, sagt Matteo Salvini von der Lega, wäre ein Verrat an Italien.
Es gibt andere Lösungen, ohne sich in den Tunnel des ESM zu begeben. Wenn Conte das macht, wäre das ein Akt der Feindseligkeit den Italienern gegenüber.
Auf dem Spiel stehen zwischen 35 und 39 Milliarden Euro für das Gesundheitssystem, auf die Italien verzichten würde. Dieses Geld aus dem Euro-Rettungsfonds sei vergiftet, argumentiert Salvini, Italien sei in Gefahr auf ähnliche Weise ausgepresst zu werden wie seinerzeit Griechenland in der Finanzkrise. Contes Problem: Die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung, der er selbst politisch nahesteht, redet ähnlich. Fraktionschef Davide Crippa:
Italien, mit der Fünf-Sterne-Bewegung in der Regierung, wird nie, nie, nie ein Instrument akzeptieren, das erdrückende Bedingungen vorgesehen hat.
Und dabei wird anklagend gerne Richtung Deutschland gezeigt. So sehr, dass sich der deutsche Botschafter in Rom, Viktor Elbling, in einem Interview genötigt sah, klar zu stellen: Die jetzt vorgesehenen Hilfen für das Gesundheitssystem, seien an keine Troika-ähnlichen Kontrollen gebunden.
Wunsch nach gemeinsamer EU-Haftung für Kredite
Ebenfalls unter Druck im eigenen Land steht Conte beim Thema Eurobonds. Sowohl die Regierungsparteien, als auch die Opposition wollen eine gemeinsame Haftung der EU für Kredite. Auch der Spin aus Contes Regierungssitz Palazzo Chigi lautete lange Zeit: Nur Hilfe durch Eurobonds sei echte Unterstützung für Italien.
In letzter Minute versucht der Ministerpräsident seine Landsleute offensichtlich auf Kompromisse vorbereiten. Vorgestern im Senat äußerte sich Conte positiv zu Plänen eines EU-Wiederaufbaufonds.
Ein europäischer Recovery Fund, der gemeinschaftliche Projekte von europäischem Interesse finanziert, um einen Wiederaufbau auf der Basis von Investitionen anzuschieben.
Gleichzeitig verbindet er aber damit den Wunsch:
Er sollte als Instrument strukturiert werden, das in der Lage ist, sich auf den Finanzmärkten mit gemeinschaftlichen Schulden zu finanzieren.
Dort schaut doch wieder ein wenig der Wunsch nach Eurobonds um die Ecke. Möglicherweise ist heute in der Schalte mit den anderen Regierungschefs sowohl der harte als auch der smarte Conte dabei.