EU-"Data Act" Neue Regeln zur Daten-Weitergabe von Geräten
Beinahe in jedem modernen Gerät werden inzwischen Daten gesammelt. Doch wer auf diese Daten zugreifen und sie nutzen kann, war bislang unklar. Die EU will mit ihrem "Data Act" nun Klarheit schaffen - doch es gibt auch Kritik.
Vernetzte Fahrzeuge, intelligente Waschmaschinen oder auch Industrieanlagen produzieren große Mengen teils persönlicher Daten, die auch Fragen zu deren Schutz aufwerfen. Ein neues Gesetz, auf das sich Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten am späten Dienstagabend einigten, soll dies regeln und zugleich wirtschaftliche Potenziale dieser Daten nutzbar machen.
"Dieses Datengesetz kann die Situation grundlegend verändern und dafür sorgen, dass es einen einfacheren Zugang gibt zu den nahezu unendlich zur Verfügung stehenden Datenmengen. Wir gehen davon aus, dass bis 2028 auf diese Art 270 Milliarden Euro zusätzlich erwirtschaftet werden können", sagte die spanische Europaparlamentarierin Pilar del Castillo Vera, die für das Parlament die Verhandlungen führte.
Ob Sprachassistenten wie Alexa oder Siri, Fitness Tracker oder vernetzte Haushaltsgeräte: Auch im privaten Bereich fielen immer größere Datenmengen an, so die CSU-Politikerin Angelika Niebler. Für die Co-Vorsitzende der Unionsgruppe im EU-Parlament war deshalb ein wichtiger Punkt, dass private Daten nicht als Handelsware betrachtet werden: "Und wir konnten mit diesem Datengesetz jetzt klären, wer auf diese Daten jetzt zugreifen kann. Und wichtig ist natürlich immer gewesen, dass wir unseren hohen europäischen Datenschutz-Standard aufrechterhalten. Es geht bei dieser Datengesetzgebung in erster Linie um die industriellen Daten und eben nicht um die personenbezogenen Daten."
Was wurde beschlossen?
Der sogenannte "Data Act", der im Februar 2022 von der EU-Kommission eingebracht wurde, soll unter anderem festlegen, wann Unternehmen und Privatpersonen Informationen von vernetzten Geräten erhalten und weitergeben dürfen. Bislang werden solche Daten häufig ausschließlich von den Herstellern der Geräte gesammelt - also beispielsweise von einem Unternehmen, das ein vernetztes Auto baut, oder dem Hersteller eines Smart-Home-Gerätes. Künftig sollen Daten auch freiwillig mit Drittanbietern geteilt werden können, wodurch Verbraucher beispielsweise von günstigeren Ersatzteilen oder Reparaturen profitieren könnten. Massendaten-Daten von Autofahrerinnen und Autofahrern könnten zudem helfen, Verkehrsflüsse besser zu verstehen und zu analysieren. Gleichzeitig soll der Wechsel von Anbietern sogenannter Cloud-Dienste vereinfacht werden. Damit werde der Wettbewerb gefördert und die Bindung an einen einzigen Dienst verhindert, erklärte die EU-Kommission.
Zudem enthalte der "Data Act" Schutzmaßnahmen, um rechtswidrige Datenübertragung zu verhindern. In Ausnahmefällen, wie bei Naturkatastrophen oder Waldbränden, erhalten die Behörden Zugriff auf Daten der Privatwirtschaft. Nach Angaben der EU-Kommission werden 80 Prozent der generierten Industriedaten heute nicht genutzt, obwohl das Wachstums- und Innovationspotenzial enorm sei. "Sobald der 'Data Act' in Kraft tritt, wird er das wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenzial von Daten und Technologien freisetzen und zum Aufbau eines Binnenmarkts für Daten beitragen", sagte Schwedens Minsiter für öffentliche Verwaltung, Erik Slottner, dessen Land derzeit den Vorsitz im Rat der EU-Mitgliedstaaten innehat.
Um welche Daten geht es?
Eine große Anzahl von Geräten, die wir im Alltag nutzen, ist inzwischen lokal oder über das Internet vernetzt. Das betrifft Kaffeemaschinen, Glühbirnen, Saugroboter oder den Thermomix, aber auch Fitnessarmbänder und Fernseher. Die "smarten" Geräte kann man oft per Handy steuern. Sie stehen regelmäßig mit dem Hersteller in Verbindung, etwa um den Wartungsstatus oder Updates abzurufen. Häufig sendet das Gerät dabei Informationen an eine Cloud, wo die Daten aufbereitet werden oder als Grundlage für weitere Dienstleistungen dienen, wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erläutert. Es geht aber nicht nur um Haushaltsgeräte, sondern auch um Flugzeuge, Autos, Windräder oder Mähdrescher.
Was das für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet
Auf die Verbraucher kommen erst mal wohl keine Verpflichtungen zu. Die Hoffnung ist vielmehr, dass mit dem neuen Gesetz zum Beispiel der Kundendienst oder die Reparatur bestimmter Geräte günstiger werden könnte. Verbraucherschützer sehen das Gesetz trotzdem kritisch. Der nun geschlossene Kompromiss sei enttäuschend, sagte die Vorsitzende des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Ramona Pop. Es bleibe unklar, wie Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt würden, wenn sie sich für die Weitergabe der Daten entschieden. "Denn die Folgen, die das freiwillige Teilen von Daten haben könnte, sind nur schwer zu überblicken. Das könnten Unternehmen ausnutzen, um Menschen zu übervorteilen oder falsche Anreize zu setzen." Die europäische Verbraucherschutzorganisation Beuc sieht eine "verpasste Chance": Der "Data Act" eröffne zu viele Ausnahmen für Unternehmen. Sie könnten den Zugang zu Daten und deren Weitergabe verhindern, so dass Verbraucher weiterhin nur wenig Kontrolle hätten.
Der Digitalverband Bitkom hingegen begrüßte, dass der ursprüngliche Kommissionsentwurf verbessert worden sei. "Mit dem "Data Act "kann es gelingen, den Datenaustausch zwischen Unternehmen und mit der Öffentlichen Hand voranzubringen", erklärte Bitkom. Sollten sich Lücken beim Schutz sensibler Daten zeigen, müsse umgehend gegensteuert und nachgebessert werden.
Unternehmen fürchten zu große Eingriffe
Vor allem Unternehmen werden nun in Bezug auf Transparenz und Datenkontrolle in die Pflicht genommen. Der "Data Act" stelle einen massiven Eingriff in die bislang gut funktionierende Vertragsfreiheit im Datenaustausch zwischen Unternehmen dar, kritisierte der Maschinenbauverband VDMA. Zwar regelt der "Data Act" nun auch den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, das geht vielen aber nicht weit genug. "Es muss insbesondere vermieden werden, dass durch die Pflicht zum Teilen von Daten Geschäftsgeheimnisse in die Hände von Wettbewerbern oder uns weniger freundlich gesonnenen Ländern geraten", sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Kritik kommt auch vom Industrieverband, weil vom smarten Heizungsthermostat bis zum Flugzeug alles gleichbehandelt werde: "Es besteht die Gefahr, dass weder Hersteller noch potenzielle Nutzer vom EU-"Data-Act" profitieren", sagte Iris Plöger aus der BDI-Hauptgeschäftsführung. "Unternehmen könnten nun geneigt sein, ihre Datenstrategie neu und restriktiv auszurichten, was zu weniger verfügbaren Daten führen dürfte und damit dem Ziel des Data Act zuwiderläuft", sagte Michael Kraus von der Wirtschaftskanzlei CMS.
Das Gesetz soll 2025 in Kraft treten und muss dafür noch formal vom EU-Parlament und vom Rat der EU bestätigt werden.
Mit Informationen von Matthias Reiche, ARD-Studio Brüssel