Hintergrund Streitpunkte im deutsch-türkischen Verhältnis
Die deutsch-türkischen Beziehungen werden zunehmend von Vorwürfen und Kritik bestimmt - nicht erst seit dem Auftrittsverbot für türkische Minister in Deutschland. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist schon länger belastet. Ein Überblick über die wichtigsten Streitpunkte.
Die öffentlichen Auftritte türkischer Politiker, mit denen für die geplante Verfassungsänderung geworben werden soll, sind den Politikern hierzulande ein Dorn im Auge. Denn mit dem neuen Gesetz will der islamisch-konservative Präsident Recep Tayyip Erdogan beispiellose Vollmachten für sich erreichen. Es besteht die Befürchtung, dass dadurch der Rechtsstaat ausgehöhlt und einer autoritären Ein-Mann-Herrschaft der Weg bereitet werden könnte.
Schon der Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yilderim im Februar sorgte für Unbehagen in Deutschland. Bei einer für Donnerstagabend im baden-württembergischen Gaggenau geplanten Versammlung des türkischen Justizministers Bekir Bozdag zog die Stadt die Notbremse. Sie sagte die Versammlung kurzerhand ab. Die Reaktion Ankaras ließ nicht lange auf sich warten: Bozdag ließ seinerseits ein Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas platzen, das ebenfalls am Donnerstag in Karlsruhe stattfinden sollte.
Fall Yücel wird zum Politikum
Bei dieser Begegnung wollte sich Maas für den deutsch-türkischen "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel einsetzen, der seit dem 14. Februar in der Türkei festgehalten wird - zunächst in Polizeigewahrsam, seit Montagabend in Untersuchungshaft. Ihm werden von den Behörden Volksverhetzung und "Terrorpropaganda" zur Last gelegt. Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert mit Nachdruck die Freilassung des Korrespondenten. Berlin hatte sich schon zuvor kritisch zur Inhaftierung von Journalisten und zur massenhaften Schließung kurdischer und anderer oppositioneller Medien geäußert.
Mangelnde Solidarität nach Putschversuch?
Zu einer deutlichen Abkühlung des deutsch-türkischen Verhältnisses war es bereits nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 gekommen: Nach den Geschehnissen, bei denen mehr als 240 Menschen getötet wurden, bemängelten türkische Politiker mangelnde Solidarität in Deutschland. Die Bundesregierung hatte sich zwar noch in der Putschnacht klar hinter Erdogan gestellt. Ankara beklagte aber, dass anschließend kein hochrangiger Vertreter Deutschlands in die Türkei kam, um seine Unterstützung auszudrücken.
Repressionen gegen Gülen-Bewegung
Ein Grund für die relative Zurückhaltung der Bundesregierung waren die massiven Repressionen gegen die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, die für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird. Kritik aus Deutschland an der Entlassung und Inhaftierung zehntausender mutmaßlicher Gülen-Anhänger im Staatsdienst sowie an der Verfolgung kurdischer Oppositioneller wies die türkische Regierung verärgert zurück. Für Streit sorgten auch die Asylanträge von rund 40 türkischen Offizieren in Deutschland, die die türkische Regierung nach dem Umsturzversuch zurückbeordert hatte.
Türkische Spione in Deutschland?
Hierzulande wiederum sorgten Vorwürfe für Empörung, wonach Imame des Moscheeverbands Ditib im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet Informationen zu Gülen-Anhängern gesammelt haben. Diyanet berief sechs Imame als "Zeichen des guten Willens" in die Türkei zurück, bestritt aber jedes Fehlverhalten und kritisierte, dass die deutsche Justiz mehrere Wohnungen islamischer Geistlicher durchsuchte.
Zankapfel Flüchtlingsfrage
Wenn die Bundesregierung in ihrer Kritik trotz allem eher zurückhaltend ist, dann auch, weil sie in der Flüchtlingspolitik auf Ankara angewiesen ist. Auf Initiative Merkels hatte die Europäische Union (EU) im März 2016 mit der Türkei ein Abkommen geschlossen, das die Rücknahme aller Flüchtlinge vorsieht, die von der türkischen Küste auf die griechischen Ägäis-Inseln gelangen.
Die Türkei beklagte aber, dass Brüssel weniger Geld als vereinbart zur Versorgung der 2,7 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei gezahlt habe. Ankara kritisiert zudem, dass es keine Fortschritte bei der Gewährung von Visa-Freiheit für Türken gibt. Die EU fordert dafür aber eine Änderung der türkischen Anti-Terror-Gesetzgebung, was die Türkei ablehnt.