Vor Beginn der COP27 Wenig Hoffnung in Klimakonferenz
Vor anderen Klimakonferenzen war die Stimmung oft zuversichtlich - diesmal nicht. Forscher und Politiker zeigen sich schon vor Beginn der COP27 pessimistisch. Krieg, Konflikte und zu laxe Klimaschutzpläne sehen sie als Probleme.
Wissenschaftler und Politiker haben sich vor Beginn der Weltklimakonferenz am Sonntag pessimistisch gezeigt, dass dort große Fortschritte erzielt werden könnten. Die COP27 findet im ägyptischen Sharm El-Sheikh statt, 40.000 Teilnehmer aus 200 Staaten werden erwartet.
Mojib Latif, Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, zeigte sich bereits vor Beginn resigniert und stellte die Klimakonferenzen insgesamt infrage: "Da werden keine Durchbrüche erzielt", sagte er der Mediengruppe Bayern. Die Konferenzen seien "nicht zielführend", denn dort würden "Papiere mit wenig Substanz als großer Fortschritt gefeiert."
Nach Einschätzungen von Forschern müssten die weltweiten Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase bis 2030 um die Hälfte sinken. Anders sei das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, nicht mehr zu erreichen. Doch die bislang vorgelegten Klimaschutzpläne der Staaten sehen sogar weiter anwachsende Emissionen vor.
Die Gefahr: Klima-Kipppunkte
Und selbst das 1,5-Grad-Ziel ist nach Ansicht von Klimaforschern zu wenig. Johan Rockström, einer der Direktoren des Potsdam-Institus für Klimafolgenforschung (PIK), hatte zusammen mit anderen Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Science" dargelegt, warum: Es sei möglich, dass einige Kipppunkte, ab denen sich die Klimaerhitzung von selbst weiter beschleunige, bereits erreicht seien.
Dazu gehöre das Abtauen der Eispanzer in Grönland und in der westlichen Antarktis, sagte der er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Deshalb müsste die Zielmarke eigentlich bei 1,3 Grad maximaler Erwärmung liegen. Eine Erwärmung um 1,2 Grad sei bereits erreicht.
COP27 als "Therapiesitzung"
Rockström sagte jedoch weiter, er sei Pragmatiker und sehe "null" Chancen, eine ehrgeizigere Marke als die 1,5 Grad durchzusetzen. "Das Pariser Abkommen ist das einzige verbindliche Dokument, das wir haben. Deshalb verteidige ich es", sagte er der FAS. Er plädierte außerdem dafür, dass Deutschland zwar keine neuen Atomkraftwerke bauen, die bestehenden aber länger laufen lassen solle, solange sie sicher seien.
Ottmar Edenhofer, neben Rockström der andere Direktor des PIK, verwies in der FAZ darauf, dass es beim Thema Geld für Klimaschutz in ärmeren Ländern "massive Verteilungskonflikte" gebe. Er habe nur geringe Erwartungen an das Treffen. Es gehe darum, "überhaupt wieder eine Vertrauensbeziehung aufzubauen." Das sei "fast wie eine Therapiesitzung".
Habeck: Industrienationen müssen vorangehen
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht die Erfolgsaussichten der Konferenz skeptisch. Die Welt trete gerade in eine neue Periode des Konflikts, wenn nicht sogar der Konfrontation ein, sagte Steinmeier in der südkoreanischen Stadt Busan. "Es ist schwer vorstellbar, dass in Zeiten von Konflikt und sogar militärischer Konfrontation Staaten wie Russland oder China eine konstruktive Rolle in und nach Sharm El-Sheikh spielen werden."
Wirtschaftsminister Robert Habeck, zu dessen Aufgabengebieten in der Bundesregierung auch der Klimaschutz gehört, mahnte trotzdem entschlossenes Handeln an. Die COP27 müsse Ergebnisse bringen, sagte Habeck in einem bei Twitter veröffentlichten Video, denn die Welt habe ein weiteres "Katastrophenjahr" mit galoppierender Erderwärmung erlebt. Bisher bewege sich die Weltgemeinschaft nicht genug in Richtung Klimaneutralität.
Deutschland müsse mit anderen Industrieländern eine Vorreiterrolle einnehmen: Zwar stehe Deutschland nur für ungefähr zwei Prozent der weltweiten Emissionen, aber "gerade, weil Deutschland alle Möglichkeiten hat, sind sehr viele Augen auf Deutschland gerichtet. Wenn wir es nicht hinbekommen (...), mit allen unseren finanziellen und technischen Möglichkeiten (...), dann werden die anderen 98 Prozent ebenfalls sich nicht daran beteiligen", sagte Habeck.
Timmermanns für schärfere EU-Klimaziele
Der EU-Kommissionsvize Frans Timmermans brachte verschärfte EU-Klimaziele ins Gespräch. "Wir schaffen es vielleicht sogar, in Ägypten konkrete Maßnahmen zu präsentieren, um unsere Emissionen um mehr als 55 Prozent zu senken", sagte er dem "Spiegel". "Das wäre wichtig, denn momentan redet international kaum noch jemand über Emissionen."
Den USA warf er vor, sich finanziell nicht an dem Klimafonds zu beteiligen, aus dem Klimaschutzmaßnahmen für Entwicklungsländer bezahlt werden sollen. "Wir zahlen jedes Jahr mindestens 25 Milliarden Dollar, es sind die Amerikaner, die hier nicht liefern", sagte Timmermans. Auch US-Präsident Joe Biden halte bisher nicht, was er versprochen habe. "Ich verstehe gut, dass sich der globale Süden darüber beschwert."