Beratungen der EU-Außenminister Wiedersehen unter schwierigen Vorzeichen
Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie sitzen sich die EU-Außenminister wieder persönlich gegenüber und sie haben viel zu besprechen. Die größten Baustellen sind die Beziehungen zur Türkei und zu China.
Für ihr erstes echtes Treffen nach langer Zeit haben sich die EU-Außenminister viel vorgenommen. Im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft geht es um nicht weniger als Europas Rolle in der Welt. Die Krisen im Nahen und Mittleren Osten, die Lage in Venezuela, Asyl und Migration, Afrika und die Folgen der Corona-Pandemie - das sind große Brocken auf der Tagesordnung. Aber es gibt noch größere.
Es gebe viele ernste Fragen, die unsere Aufmerksamkeit erfordern, sagt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Damit meint er das Verhältnis zur Türkei. Dies sei weit davon entfernt, ideal zu sein, drückt es der Chefdiplomat vorsichtig aus.
Türkisch-französischer Konflikt
Andere werden da deutlicher, etwa die französische Europa-Abgeordnete Nathalie Loiseau: "Manchmal muss man die Dinge auch beim Namen nennen. Seit langem missachtet die Türkei die Menschenrechte und stellt sich gegen unsere europäischen Interessen!"
Die Türkei mische im Syrien-Krieg mit und spiele sich in Libyen als Schutzmacht der anerkannten Einheitsregierung in Tripolis auf - um sich Einfluss und Erdöl zu sichern, erklärt Loiseau. Die Türkei wiederum wirft Frankreich vor, den abtrünnigen libyschen General Chalifa Haftar zu unterstützen. Aneinandergeraten sind die beiden NATO-Partner bereits im östlichen Mittelmeer: Die Türkei soll dort französische Fregatten bedroht haben, als diese das UN-Waffenembargo gegen Libyen kontrollieren wollten.
Heiße Eisen für die Debatte der Außenminister, ebenso wie die Flüchtlingsfrage an den Grenzen der Türkei zu Griechenland und die türkischen Bohrungen nach Öl und Gas vor Zypern. Das östliche Mittelmeer sei eine Schlüsselregion für die EU, betont der Außenbeauftragte Borrell. Hier müssten die Mitgliedsstaaten sich nun um Zusammenarbeit und Dialog bemühen - und zwar gemeinsam.
Nicht deutlich genug gegenüber China?
Wie ein Dialog noch geführt werden kann, und ob die EU dabei mit einer Stimme spricht, ist beim Thema Türkei ebenso knifflig wie gegenüber China. "Da wird die Autonomie abgeschafft, da werden die Freiheiten Hongkongs abgeschafft", sagt der grüne Europaabgebordnete und China-Kenner Reinhard Bütikofer mit Blick auf Pekings sogenanntes Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die von China als subversiv, separatistisch oder terroristisch angesehen werden. Proteste in Hongkong gegen das Gesetz lässt China brutal unterbinden, Hunderten Demonstranten droht lebenslange Haft.
Das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" sei am Ende, fürchtet Bütikofer. Die EU sei dagegen nicht machtlos, man könne Chinas Verstöße gegen Menschenrechte durchaus vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen, Hongkonger Dissidenten könne man Asyl gewähren. Bütikofer kritisiert: Die EU habe zwar Stellung genommen. Aber: "Da hat man leider gegenwärtig den Eindruck, dass die Bundeskanzlerin einer entschiedenen Haltung der EU eher im Wege steht."
Sollen härtere Maßnahmen her?
Tatsächlich hält sich die Kanzlerin auch in der Ratspräsidentschaft mit Kritik auffallend zurück und nennt China erneut einen strategischen Partner. In den milliardenschweren, für deutsche Unternehmen extrem wichtigen Handelsbeziehungen, aber auch in Sachen Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit sei es wichtig, auf China zuzugehen, so Merkel, - um dann auch über Menschenrechte sprechen zu können. Sanktionen, wie von den USA gefordert, seien nicht zielführend. "Da wird es auch mal Meinungsunterschiede geben, aber - ich hoffe - auch gemeinsame Ergebnisse."
Dass sich die Führung in Peking allein durch Dialog beeinflussen lässt, halten allerdings viele EU-Beobachter für naiv. Bei ihrer Aussprache dürften die Außenminister also wieder einmal über härtere Maßnahmen streiten.