Briten zum Brexit Bis Weihnachten gibt es Klarheit
Die EU hat dem Austritt Großbritanniens zugestimmt. Folgt das britische Unterhaus? Premierministerin May sagte, eine Abstimmung solle bis Weihnachten stattfinden. Ausgang: offen.
Das britische Parlament wird vor Weihnachten über die Brexit-Vereinbarung mit der EU abstimmen. Sie werde mit Leib und Seele für die Zustimmung der Abgeordneten kämpfen, kündigte Premierministerin Theresa May an. "Ich denke, wir haben eine Pflicht als Parlament, ... den Brexit zu liefern", sagte sie.
May betonte, das Abkommen sei das beste und einzig mögliche. Die Premierministerin warnte die Kritiker vor dem Kalkül, durch eine Ablehnung des Vertragstexts noch Nachbesserungen herausschlagen zu können.
Kurz zuvor hatte ein EU-Sondergipfel das 585 Seiten starke Austrittsabkommen und eine Erklärung über das künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien beschlossen. Der Vertrag regelt verbindlich eine Fülle von Aspekten von Ausgleichzahlungen Großbritanniens an die EU, die künftigen Handelsbeziehungen, das Bleiberecht für Bürger im Vereinigten Königsreich sowie den Umgang mit der Grenze zwischen Irland und Nordirland sowie die Gibraltar-Frage.
Vorgesehen ist außerdem eine Übergangsfrist bis Ende 2020. Sie könnte noch bis Ende 2022 verlängert werden. In dieser Zeit soll sich für die Wirtschaft und die Bürger beider Seiten praktisch nichts ändern.
Druck von der DUP
Die Reaktionen auf den Beschluss in Brüssel dürften May kaum gefreut haben: Denn unmittelbar nach der Billigung der EU meldete sich die Chefin der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), Arlene Foster, zu Wort: Ihre Partei werde unter keinen Umständen Mays Brexit-Deal unterstützen, sagte Foster in der BBC. Falls auch das Parlament in London dem Vertragswerk zustimmen sollte, werde man die Zusammenarbeit überprüfen. Foster warb für neue Gespräche: "Ich glaube, wir sollten jetzt die Zeit nutzen, um einen dritten Weg zu suchen, einen anderen Weg, einen besseren Weg."
May ist im Parlament auf die Unterstützung der zehn Abgeordneten der DUP angewiesen. Diese stimmten bisher auch in wichtigen Brexit-Fragen mit der Regierung. Doch ein Passus im Austrittsvertrag zur künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland stößt bei der DUP auf scharfen Widerstand: der sogenannte Backstop. Die Auffanglösung soll eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland vermeiden, falls nach einer 21-monatigen Übergangsfrist immer noch keine Lösung gefunden ist - in dem Fall würde Nordirland auf einigen Gebieten enger mit der EU verbunden bleiben als das restliche Großbritannien.
Auch Corbyn gegen Abkommen
Neben der DUP muss May auch Teile ihrer eigenen konservativen Tory-Partei überzeugen. Der oppositionelle Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte an, seine Partei werde gegen das Abkommen stimmen. Er nannte den Vertrag das Ergebnis schlechter Verhandlungen und einen "schlechten Deal für das Land".
Der britische Außenminister Jeremy Hunt sagte der BBC, es werde eine Herausforderung, den Deal mit der EU durchs Parlament zu bekommen. Das Abkommen abzulehnen, würde aber zu großen Risiken für das Land führen. In den nächsten zwei Wochen vor der Abstimmung könne sich noch viel bewegen.
Das Vereinigte Königreich hatte im Sommer 2016 knapp für den Austritt gestimmt und wird die EU nach 45 Jahren Ende März 2019 verlassen. Das Austrittsabkommen soll als Grundlage für einen geregelten Brexit dienen. Ohne ein parlamentarisch gebilligtes Abkommen droht ein harter und ungeregelter Brexit mit unabsehbaren Folgen für Großbritannien und die EU.
Anfang Dezember: Das britische Parlament beginnt mit der Ratifizierung des Austrittsvertrags. Derzeit gibt es massive Widerstände. Laut May wird eine Abstimmung noch vor Weihnachten stattfinden.
Januar 2019: Sollte der Brexit-Vertrag in Großbritannien doch angenommen werden, würde das Europaparlament mit Beratungen beginnen.
Februar/März 2019: Nach dem EU-Parlament müssten die anderen EU-Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Nötig sind dafür mindestens 20 der 27 verbleibenden EU-Länder, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen.
29. März 2019: Die britische EU-Mitgliedschaft endet um Mitternacht. Es beginnt eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der Großbritannien noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt.
April 2019: Die Verhandlungen der EU mit Großbritannien über die künftigen Beziehungen beginnen.
23. bis 26. Mai 2019: Wahl des neuen Europaparlaments, in dem es bisher 73 Abgeordnete aus Großbritannien gab. Es soll fortan 705 statt bisher 751 Mitglieder haben. Ein Teil der durch den Brexit frei werdenden Sitze wird auf andere EU-Mitglieder verteilt.
1. Juli 2020: Bis zu diesem Datum müssen beide Seiten entscheiden, ob die Übergangsphase einmal verlängert wird. Möglich wäre das um bis zu zwei Jahre bis spätestens Ende 2022.
31. Dezember 2020: Die Pflicht Großbritanniens zur Zahlung von EU-Mitgliedsbeiträgen unter dem laufenden mehrjährigen Finanzrahmen der Union endet. Ohne Verlängerung würde auch die Übergangsphase auslaufen.