Gespräche über EU-Erweiterung Streitthema Balkan
Der EU-Kommissionsvorschlag, Beitrittsgespräche mit Albanien und Mazedonien aufzunehmen, hat eine heftige Debatte ausgelöst: Sollte sich die krisengeschüttelte EU wirklich vergrößern?
Die Debatte über Sinn oder Unsinn einer EU-Erweiterung kennt man in Europa zur Genüge. Besonders heftig wird sie stets dann geführt, wenn man sich über den Beitritts-Kandidaten Türkei zankt. Doch nun gibt es aus der Sicht von Skeptikern gleich zwei Anlässe, den Streit neu anzufachen: Seit nämlich am Dienstag die EU-Kommission empfohlen hat, Beitritts-Gespräche mit zwei Balkan-Staaten zu beginnen: mit Mazedonien und Albanien.
"Dies ist wahrscheinlich das Land, das sich in den vergangenen Jahrzehnten in Europa am meisten verändert hat", lobte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bei einem Besuch in Albanien. Und lieferte damit die Begründung für die Entscheidung in Brüssel: Mazedonien und Albanien hätten sich so erfolgreich reformiert, dass man über einen Beitritt zumindest zu sprechen beginnen sollte.
Doch Mogherinis Gastgeber, der albanische Regierungschef Edi Rama, weiß genau, dass dies nicht überall in der EU mit Jubelchören begleitet wird: "Es ist ja kein Geheimnis, dass es in einigen Mitgliedstaaten Personen und Kräfte gibt, die weder eine Erweiterung wollen noch es gerne sehen würden, dass die Region sich auf einen Beitritt hinbewegt", sagt er.
Macron warnt vor schneller Erweiterung
Mit den Balkanstaaten Serbien und Montenegro verhandelt die EU bereits. Ob tatsächlich auch Gespräche mit Mazedonien und Albanien begonnen werden, liegt letztlich bei den Hauptstädten der bisherigen Mitgliedstaaten. Auch der Bundestag müsste mit der Frage befasst werden.
Frankreichs Präsident Macron warnt vor einer zu schnellen Erweiterung.
Klar ist, dass die Chancen Mazedoniens und Albaniens nach der jüngsten Macron-Rede im Europaparlament nicht unbedingt gestiegen sein dürften. Eine Erweiterung könne er erst gutheißen, wenn eine Vertiefung der Reformen in der jetzigen EU stattgefunden habe, betonte der französische Staatspräsident:
"Ich will kein Europa, das schon Schwierigkeiten hat, mit 28 oder bald 27 Ländern zu funktionieren - und dann 30 oder 32 Länder umfasst und noch dieselben Regeln hat", so Macron.
Dass der Balkan durchaus das Zeug hat, die EU zu spalten, zeigt sich noch an anderer Stelle: Nach Informationen des ARD-Studios Brüssel nämlich tobt derzeit hinter den Kulissen ein heftiger Streit um den für Mitte Mai vorgesehenen West-Balkan-Gipfel.
"Geopolitisches Risiko"
Zahlreiche EU-Staaten wünschen sich als sichtbares Signal eine gemeinsame Gipfel-Erklärung mit den sechs Balkan-Ländern. Doch Spanien und drei weitere EU-Staaten lehnen dies ab. Hintergrund ist unter anderem, dass Madrid das Kosovo, das die Erklärung mittragen müsste, nie als Staat anerkannt hat.
Der Streit ist noch nicht entschieden. Und er wirft ein Schlaglicht darauf, wie hin- und hergerissen die EU mit Blick auf die Balkan-Region ist: "Es gibt ein geopolitisches Risiko - dass die Balkan-Staaten nämlich in Richtung Türkei oder Russland driften. Oder sogar zusammenbrechen", erklärte Frankreichs Präsident Macron in derselben Rede, in der er vor einer überhasteten Erweiterung warnte.
Neben der Türkei und Russland hat auch China seine Aktivitäten in der Region verstärkt. Diesen Wettlauf dürfe man nicht verlieren, mahnen Erweiterungs-Befürworter. Und auch Macron findet es sinnvoll, den Balkan an Europa zu binden. Nur: Wie dicht genau sie welchen Staat wann an sich heranlassen will, das scheint die EU noch lange nicht entschieden zu haben.