Generalsekretär der EU-Kommission Wie die Spinne im Netz
Die Personalie Selmayr sorgt für Aufregung in Brüssel. Schnell bekam der Deutsche dort einen der mächtigsten Posten. Doch was hat ein Generalsekretär der EU-Kommission eigentlich zu tun?
Es gibt Ämter, deren Bedeutung sich dem Laien nicht auf Anhieb erschließt, und deren tatsächlicher Einfluss in krassem Missverhältnis zur allgemeinen Wahrnehmung steht. Privatsekretär des Papstes ist so ein Amt. Büroleiterin im Kanzleramt fällt in dieselbe Kategorie - und eben auch Generalsekretär der EU-Kommission.
In den Statuten der Brüsseler Behörde heißt es in sperrigem Beamtendeutsch:
Das Generalsekretariat gewährleistet die Kohärenz der Kommissionsarbeit, indem es neue Strategien entwickelt und sie durch den Beschlussfassungsprozess der anderen EU-Institutionen begleitet. Dabei unterstützt es die Kommission insgesamt.
Einer der mächtigsten Posten
Hinter der spröden Jobbeschreibung verbirgt sich einer der mächtigsten Posten, den die Europäische Union zu vergeben hat. Der Generalsekretär ist der oberste Beamte in Brüssel, zweiter Mann hinter dem Kommissionspräsidenten, dem er den Rücken freizuhalten hat. Kurz gesagt: so etwas wie die "Spinne im Netz".
Er sitzt an der Schnittstelle zwischen den europäischen Institutionen und ist für eine möglichst reibungs- und geräuschlose Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Kommission, Rat und EU-Parlament verantwortlich. Außerdem lenkt er die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten sowie nicht-staatlichen Organisationen und Einrichtungen.
Zuständig für mehr als 30.000 Beamte
Auch wenn er oder sie kaum öffentlich in Erscheinung tritt: Im Büro des Generalsekretärs laufen alle Fäden der Verwaltung zusammen. Er ist Chef eines beeindruckenden und ziemlich effektiven Beamtenapparats, mit mehr als 30.000 hochqualifizierten Mitarbeitern. Wer diesen komplexen Apparat kennt und richtig zu führen - im Extremfall zu benutzen weiß -, der kann in Brüssel politisch, wirtschaftlich und auch sonst die Weichen stellen und die Geschicke der EU entscheidend mitbestimmen.
Konkret bedeutet das: Es gibt keine Vorlage, kein Gesetzentwurf und keine Pressemeldung, die nicht über seinen Schreibtisch geht. Projekte oder Personen, die der Generalsekretär unterstützt, haben gute Chancen weiterzukommen. Für alle anderen heißt es: Endstation.
Entscheidungen zu Gunsten Deutschlands?
Dass mit dem 47-Jährigen Juncker-Intimus Martin Selmayr nun ausgerechnet ein Deutscher dieses wichtige Amt übernommen hat, sorgt in der Brüsseler Sphäre für einige Aufregung. Nicht nur, weil sich Selmayr als umtriebiger Kabinettchef des Luxemburgers viele Feinde gemacht hat, und die näheren Umstände seiner überraschenden Beförderung Fragen aufwerfen. Vor allem wird geargwöhnt, der gewiefte Jurist könnte künftig Entscheidungen zugunsten seines Herkunftslandes beeinflussen und den Kurs der Kommission auf Jahre hinaus festlegen.
Dass Selmayr für den Top-Job fachlich geeignet ist, bezweifeln in Brüssel nicht einmal seine Feinde. Er spricht mehrere Sprachen, gilt als hoch-intelligent und extrem fleißig und kennt die Brüsseler Polit-Maschinerie aus dem FF.