EU-Gipfel Zwischen Zuversicht und Enttäuschung
Zum Abschluss des EU-Gipfels haben Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Einigkeit demonstriert. Doch beim Thema Flüchtlinge bleibt die Union zerstritten. Großbritanniens Brexit-Angebot sorgte für Enttäuschung.
Der EU-Gipfel in Brüssel hat laut Bundeskanzlerin Angela Merkel "einen Geist von neuer Zuversicht ausgestrahlt". Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sagte sie, die deutsch-französische Zusammenarbeit und Vorbereitung des Gipfels hätten sich als "wirklich belastbar erwiesen". "Es gibt keine echte europäische Lösung, wenn es zwischen Deutschland und Frankreich nicht passt", sagte Macron. Die Symbiose zwischen Frankreich und Deutschland sei die notwendige Vorbedingung, damit Europa vorankomme.
Laut Merkel hat der Gipfel den Mitgliedstaaten bewusst gemacht, dass sich die EU nun zunächst um ihre eigene Zukunft kümmern muss und nicht um die Verhandlungen über den geplanten Austritt Großbritanniens aus der Union.
Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Macron schreiten zur gemeinsamen Pressekonferenz.
Tusk enttäuscht von Mays Angebot
Auf den ersten konkreten Vorschlag der britischen Regierung zum Bleiberecht für EU-Ausländer reagierte die EU skeptisch. Ratspräsident Donald Tusk gab sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen: "Mein erster Eindruck ist, dass das Angebot des Vereinigten Königreichs unter unseren Erwartungen liegt", sagte er. Es bestehe damit das Risiko, dass sich die Situation für die betroffenen Bürger verschlechtere. Das Verhandlungsteam werde das erwartete schriftliche Angebot genau analysieren.
Die britische Premierministerin Theresa May hatte den EU-Kollegen am Donnerstag einen ersten konkreten Vorschlag zu dieser Frage unterbreitet. Demnach können diejenigen, die sich vor dem Brexit in Großbritannien niedergelassen haben, nach fünf Jahren im Land ein Bleiberecht beantragen und Ansprüche gegenüber den Kranken- und Rentenkassen geltend machen.
Offen blieb allerdings, welches Datum als Stichtag für die Regelung gelten soll. In der Frage der Gerichtsbarkeit ging May auf Konfrontation zu den EU-Partnern: Anders als von diesen gefordert, soll die britische Justiz und nicht der Europäische Gerichtshof bei strittigen Fragen hinsichtlich der Rechte der EU-Bürger zuständig sein.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, die Details der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien sollten nicht auf EU-Gipfeln besprochen werden. Zudem sei es für ihn nicht vorstellbar, dass der Europäische Gerichtshof in Streitfragen über die Rechte von EU-Bürgern nicht mehr zuständig sein soll.
Keine Einigung im Flüchtlingsstreit
Den seit Jahren andauernden Streit über die faire Verteilung von Flüchtlingen konnten die EU-Staaten nicht beilegen. Ratspräsident Tusk forderte mehr Anstrengungen von den Mitgliedstaaten. "Das einzige Ergebnis, das für uns wirklich zählt, ist ein definitives Ende dieser tragischen Situation", sagte er. Die EU-Länder müssten sich besser koordinieren, um Italien stärker zu unterstützen.
Zuvor hatte der französische Präsident Macron bereits heftige Kritik an osteuropäischen Ländern geäußert, die sich der Umverteilung von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland innerhalb der EU verweigern. Italien ist der erste Anlaufpunkt für die meisten der Menschen, die auf Flüchtlingsbooten von Nordafrika nach Europa aufbrechen.
Fortschritte machten die Staats- und Regierungschefs der EU beim Schutz der Außengrenzen. Laut Macron wurden mehrere Maßnahmen vereinbart. So sollen die libysche Grenzpolizei und die Küstenwache des Landes stärker unterstützt werden. Die meisten Flüchtlinge und Migranten starten die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer von Libyen aus. Viele kommen dabei ums Leben. Die EU möchte erreichen, dass die libysche Küstenwache nicht seetaugliche Flüchtlingsboote frühzeitig abfängt und zurückschickt.
Aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Crotone in Italien