EU-Treffen zu Asylreform Herr Muscat und die harte Nuss
Ausgerechnet eine der heikelsten Baustellen der EU nimmt sich Malta für seine Ratspräsidentschaft vor: die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Das Problem: Die Zeit drängt und von Einigkeit ist die EU weit entfernt. Doch Maltas Regierungschef Muscat ist Pragmatiker. Von H. Romann.
Ausgerechnet eine der heikelsten Baustellen der EU nimmt sich Malta für seine Ratspräsidentschaft vor: die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Das Problem: Die Zeit drängt und von Einigkeit ist die EU weit entfernt. Doch Maltas Regierungschef ist Pragmatiker.
Joseph Muscat, Maltas jung-dynamischer Regierungschef, ist ein ehrgeiziger Mann. Bis Mitte des Jahres, wenn die Ratspräsidentschaft seines Landes zu Ende sein wird, würde er gern Ergebnisse vorweisen. Ausgerechnet auf dem Feld Asyl und Flüchtlinge, einer der heikelsten Baustellen europäischer Politik, hofft der 43-jährige Sozialdemokrat voranzukommen, obwohl er zugibt, dass das nicht einfach wird: "Ich glaube, wenn es um Migration geht, ist ein Fortschritt in den nächsten Monaten denkbar. Es ist zwar immer noch eine harte Nuss, die da zu knacken sein wird, aber es ist nötig, denn der Zustrom übers Mittelmeer dürfte bald wieder steigen."
"Handeln, um Leben zu retten"
Der Ministerpräsident des kleinsten EU-Landes weiß, wovon er spricht. Zusammen mit Italien und Griechenland gehört Malta zu jenen Mitgliedsstaaten, die das Flüchtlingsdrama unmittelbar betrifft und die sich mit den Auswirkungen lange allein gelassen fühlten. Seit Jahren stranden hier regelmäßig Asylsuchende aus den Krisenregionen Afrikas und des Nahen Ostens zu Tausenden. Im Moment ist die Lage wegen des Winters und der Vereinbarung mit der Türkei zwar relativ entspannt. Doch wenn sich die Stürme im Frühjahr legen und die See vor Libyen und in der Ägäis wieder ruhiger wird, könnte schnell wieder eine Situation wie 2015 oder 2016 entstehen, warnt Muscat. "Es geht hier nicht darum, ob wir handeln, um einige Millionen Pfund, Euro oder Dollar zu sparen. Wir müssen handeln, um Leben zu retten."
Diese Flüchtlinge wurden am 13.01.2017 von der "Aquarius" aus Seenot gerettet.
Osteuropa und die "flexible Solidarität"
Dass die Zeit drängt und die EU ihr Asylsystem dringend anpassen muss, zeigen auch die untragbaren Zustände in den griechischen Aufnahmelagern. Das Problem: Alle Versuche, eine gesamteuropäische Antwort auf die Krise zu geben, verliefen bisher im Sande. So scheiterte die Idee einer EU-weiten verbindlichen Verteilungsquote unter anderem am Widerstand der osteuropäischen Visegrad-Gruppe, zu der auch Maltas Vorgänger in der Ratspräsidentschaft, die Slowakei, gehört. Deren Innenminister Robert Kalinak prägte den Begriff der "flexiblen Solidarität", um Gegnern der Quote, wie Polen oder Ungarn, eine Brücke zu bauen. Wer keine Schutzbedürftigen aufnehmen will, so der Gedanke, könnte seinen Beitrag auf andere Weise leisten: etwa durch mehr Geld oder Personal für den Grenzschutz.
Viele EU-Partner, darunter Deutschland, sind noch nicht überzeugt. Kommissionschef Jean-Claude Juncker mag die Hoffnung auf einen Kompromiss aber nicht aufgeben: "Um das Ziel zu erreichen, haben wir vorgeschlagen, die Dublin-Regeln zu reformieren und ein klares, berechenbares und gerechtes System einzuführen. Wir wollen den 'Frontstaaten' im akuten Notfall helfen und zugleich das Unterstützungsbüro EASO, das seinen Sitz in Valletta hat, in eine echte europäische Asylagentur umwandeln."
Eine "Schutzlinie" vor Libyen?
Die Chancen, unter maltesischer Federführung einen entscheidenden Schritt weiterzukommen, stehen dennoch eher schlecht. Für eine Annäherung spricht immerhin, dass Premierminister Muscat die Sache pragmatisch anpackt. Zwar nimmt Malta selbst, im Verhältnis zu seiner geringen Größe, sehr viele umgesiedelte Flüchtlinge aus Italien und Griechenland auf, der Premier zeigt aber Verständnis für diejenigen, die Vorbehalte hegen. Um sie ins Boot zu holen, will der Sozialdemokrat den Akzent auf den Schutz der Außengrenzen legen. Wenn die EU hier mit ihrer neuen Küstenwache "Frontex Plus" Erfolg habe, lasse sich leichter über solidarische Lastenteilung reden.
Darüber hinaus plädiert Muscat für weitere Rückführungsabkommen nach dem Modell Türkei. So fordert er zum Beispiel eine "verstärkte Schutzlinie" vor Libyen, wie er das nennt. Ansonsten würden die "Kernprinzipien" der EU durch eine weitere Migrationswelle ernsthaft auf die Probe gestellt.
Mehr Pragmatismus
Für mehr Pragmatismus, nicht nur beim Thema Flüchtlinge, dürften sich heute und morgen auch die EU-Innen- und Justizminister bei ihren informellen Beratungen aussprechen. Es wird erwartet, dass die besonders von Deutschland und Österreich geforderte Verlängerung der außerplanmäßigen Grenzkontrollen im Schengenraum bis Mai auf allgemeine Zustimmung stößt.
Außerdem Thema: mehr Datenaustausch zwischen den nationalen Polizeibehörden im Kampf gegen den Terror und die geplanten elektronischen Kontrollsysteme für Reisen in die EU. So soll ab 2020 ETIAS dafür sorgen, dass die Sicherheitsbehörden besser Bescheid wissen, wer die Grenzen der Union passiert. Das Ein-und Ausreiseregister EES soll Alarm schlagen, wenn sich jemand länger als erlaubt in der EU aufhält.