Die EU und der Iran-Deal Machtlos in Brüssel
Verzweifelt kämpft die EU um das Atomabkommen mit dem Iran. Doch gegen den Willen der USA ist das fast unmöglich. Auch der Iran fühlt sich nicht mehr an das Abkommen gebunden.
Seit die USA das Atomabkommen mit dem Iran vor mehr als einem Jahr verlassen haben, kämpft die EU verzweifelt um den Erhalt des Deals. Klar ist: Sie kann die Vereinbarung mit Teheran, die sie selbst maßgeblich mit ausgehandelt hat, nur retten, wenn das Mullah-Regime weiterhin wirtschaftliche Vorteile daraus zieht. Doch das erscheint angesichts der wieder in Kraft gesetzten US-Sanktionen so gut wie unmöglich. Konsequenz: Stück für Stück zieht sich auch der Iran aus seinen Verpflichtungen zurück.
"Maximaler Druck" aus Washington
"Wir sind entschlossen, alles dazu beizutragen, dieses Abkommen aufrechtzuerhalten", betonte Bundesaußenminister Heiko Maas schon im Frühjahr 2018. Und an dieser Position hat sich seither nichts geändert, auch wenn sich die Lage inzwischen deutlich zugespitzt hat.
Außenminister Maas war zuletzt im Juni in Teheran auf Vermittlungsmission - ohne Erfolg.
Deutschland und die vier übrigen Garantiemächte des 2015 geschlossenen Atomabkommens - Großbritannien, Frankreich, Russland und China - wollen den Iran weiter mit allen Mitteln bei der Stange halten, auch gegen den "maximalen Druck" aus Washington. Dahinter steckt die begründete Sorge, ein endgültiges Scheitern der auf Englisch JCPOA genannten Vereinbarung könnte im Nahen Osten ein nukleares Wettrüsten auslösen. Ein Szenario, so EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini, das niemand wünschen könne.
Das JCPOA sei ein Schlüsselelement der globalen Sicherheitsarchitektur zum Zweck der Nichtverbreitung von Atomwaffen, erinnert sie. Und es sei eine bedeutende Leistung multilateraler Diplomatie, seinerzeit einstimmig unterstützt vom Weltsicherheitsrat durch UN-Resolution 2231.
Eine "Mission impossible"
Allen Beteiligten ist freilich bewusst: Gegen den Willen der Vereinigten Staaten grenzt eine Rettung des Iran-Deals an eine "Mission impossible". Schließlich hat US-Präsident Donald Trump unmissverständlich klargemacht, dass jeder, der die wieder in Kraft gesetzten Wirtschaftssanktionen unterlaufe, mit "ernsten Konsequenzen" rechnen muss. Länder oder Firmen, die weiterhin mit dem Iran Geschäfte machten, würden von den USA ebenfalls mit Strafen belegt.
INSTEX bleibt wirkungslos
Um sich aus der Zwickmühle zu befreien, hat die EU, genauer gesagt die sogenannten E3-Gruppe, bestehend aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, schon vor Monaten INSTEX gegründet, eine Art halb-staatliche Handelsgesellschaft mit Sitz in Paris, die wie eine Tauschbörse funktioniert. Das Prinzip: Warenlieferungen in den Iran werden nicht in Dollar oder Euro bezahlt, sondern mit dem Gegenwert etwa des exportierten Erdöls verrechnet. Statt in Devisen laufen Transaktionen per Gutschrift ab, abgekoppelt vom globalen Bankensystem und damit unter dem Radar der US-Regierung.
"Das ist eine Voraussetzung dafür, um auf der anderen Seite vom Iran einfordern zu können, dass er eben nicht in die militärische Uran-Anreicherung einsteigt", sagte Maas. "Das ist ein Schritt der deutlich macht, dass wir auch innerhalb der Europäischen Union geschlossen und entschlossen unseren Weg gehen."
Was der Minister verschweigt: Der Trick der Europäer, die US-Blockade zu unterlaufen, hat seine Wirkung bis jetzt weitgehend verfehlt. So ist es der im Januar gegründeten Zweckgesellschaft INSTEX nicht gelungen, die Milliardenverluste der iranischen Wirtschaft auch nur annähernd auszugleichen. Nicht zuletzt, weil sich der Handel momentan noch auf humanitäre Güter beschränkt. Auch halten sich Russland und China mit einer Beteiligung zurück.
Irans Präsident Rouhani fühlt sich nicht mehr an das Abkommen gebunden.
Teheran verstößt gegen Abkommen
Als Konsequenz hat der Iran damit begonnen, schrittweise gegen zentrale Auflagen des Nuklearabkommens zu verstoßen. So wird der erlaubte Grenzwert für angereichertes Uran inzwischen wieder überschritten. Ebenso die Menge des gelagerten Kernbrennstoffs. Seit diesem Wochenende unterliegt nun auch die iranische Atomforschung keinerlei Kontrollen mehr, was ein EU-Sprecher harsch kritisierte.
Die wiederholte Aufforderung, die Maßnahmen noch einmal zu überdenken und zur Vertragstreue zurückzukehren, blieb in Teheran bislang ungehört. Das inzwischen dritte 60-Tage-Ultimatum der iranischen Regierung an die Adresse der EU läuft. Trotzdem gibt man sich in Brüssel und Berlin zuversichtlich, den so wichtigen Deal doch noch retten zu können. Hoffnung schöpfte man zuletzt aus dem Blitzbesuch des iranischen Außenministers beim G7-Gipfel in Biarritz.
Konkrete Aussichten auf Entspannung, etwa durch ein Treffen der Präsidenten Trump und Rouhani, gibt es derzeit allerdings nicht. Im Gegenteil: Am Persischen Golf droht der Atomstreit seit Wochen in einen handfesten Konflikt umzuschlagen. Die USA haben ihre Militärpräsenz in der Region verstärkt, der Iran provoziert mit Übergriffen auf westliche Tanker in der Straße von Hormus. Mit vagen Versprechen und frommen Appellen scheint eine weitere Eskalation kaum aufzuhalten.