Russlands Position zur EU-Osterweiterung Aus dem Kreml kein Applaus
Dass die EU vor zehn Jahren um zehn Staaten anwuchs, stieß in Moskau auf wenig Begeisterung. Aus russischer Perspektive kam die EU der eigenen Sphäre zu nahe - mit Auswirkungen, die jetzt im Ukraine-Konflikt zu spüren sind.
Ludwig van Beethoven hätte es vermutlich kaum fassen können: In allen 15 alten und den zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten erklang in der Nacht zum 1. Mai 2004 die Europahymne. "Heute Abend entsteht ein Europa, das die Zukunft für uns alle bedeutet", freute sich damals der deutsche Außenminister Joschka Fischer über die gewaltige EU-Vergrößerung, die in erster Linie eine Ost-Erweiterung war.
In Moskau hingegen dürfte man die Europahymne zumindest nicht laut mitgesungen haben: "Russland war sehr nervös wegen der EU-Erweiterung, es hatte das Gefühl etwas verloren zu haben. Moskau befürchtete, dass sein wirtschaftlicher Einfluss, die alten wirtschaftlichen Bindungen leiden würden", sagt Amanda Paul, Osteuropa-Expertin von der Brüsselder Denkfabrik European Policy Centre.
"Russland denkt, Vorteile eingebüßt zu haben"
Der Präsident übrigens hieß damals wie heute: Wladimir Putin. Dessen Ego habe, erklärt die Osteuropa-Expertin, damals zwar noch nicht die heutige Größe erreicht gehabt.
Dass aber die EU wuchs, erklärt für Paul in Teilen das russische Verhalten in der Ukraine-Krise. Wenn es dies auch keineswegs entschuldige: "Russland denkt immer noch, dass es all die Vorteile, die es vor der Erweiterung 2004 hatte, einbüßte." Dazu zählt sie spezielle wirtschaftliche und politische Bindungen sowie Visa-Abkommen mit Polen und den baltischen Staaten.
"Russland hatte ursprünglich gehofft, dass die EU ein kleiner Akteur bleiben würde. Es ist anders gekommen. Und dies vermischt sich dann mit dem russischen Komplex, ein Riesenreich verloren zu haben." Darüber sei Russland immer noch nicht hinweg, ergänzt Paul.
Heikles Thema Nachbarschaftspolitik
Vor zehn Jahren noch bildete Deutschland die Außengrenze der EU; jetzt sind es im Osten etwa Polen, Ungarn, das Baltikum. Um die vor unliebsamen Überraschungen von jenseits der EU-Schlagbäume zu bewahren, ersann die Union die Nachbarschaftspolitik. Und zur Nachbarschaft gehört auch die Ukraine: "Es geht nicht um Mitgliedschaft, sondern es ging darum - damals, als sie geschaffen wurde -, das Gefälle zwischen der EU und den Nachbarn der Union zu verringern", versuchte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier vor kurzem, dem Kreml die EU-Position darzulegen.
"Das muss nicht als ein Verletzen der Sphären verstanden werden, von denen Russland glaubt, dass die EU dort hineindringen wolle. Im Gegenteil", so der SPD-Politiker weiter.
Viele Vorteile für Beitrittsländer
Russland scheint das anders zu sehen. Was auch immer in Zukunft aus der Ukraine werden mag: Den Beitrittsländern von 2004 habe die Westbindung viele Vorteile gebracht, meint Expertin Paul: "Was den Sicherheitsaspekt anbelangt, so ist es definitiv die NATO, die dafür sorgt, dass die Menschen nachts ruhig schlafen können. Die EU hingegen hat eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lebens bewirkt."
Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Derzeit steht - gerade was die Ukraine angeht - eine erneute Ost-Erweiterung weder der EU noch der NATO an. 2004 mit zehn neuen Mitgliedsstaaten dürfte ein - im Wortsinn - einmaliges Ereignis gewesen sein.