Verteilung von EU-Mitteln Geld nur gegen Rechtsstaatlichkeit?
Verstößt ein EU-Land gegen die Rechtsstaatlichkeit, sollen ihm dafür künftig die Gelder aus Brüssel gekürzt werden können. Das EU-Parlament will das, der Europäische Rat zögert. Heute gehen die Verhandlungen in die entscheidende Runde.
Wochenlang waren die Verhandlungen festgefahren. Dann kam vor einigen Tagen Rückenwind durch eine europaweite Umfrage. Mehr als drei Viertel der Bürger Europas, 77 Prozent, wollen, dass EU-Gelder nur noch an Mitgliedsländer gehen, die die Rechtsstaatsregeln einhalten. Immer weniger Europäer wollen zusehen, wie Korruption und undemokratische Politik mit ihren Steuergeldern unterstützt werden.
Das Europäische Parlament fühlt sich durch die Umfrage gestärkt. Fördermilliarden nur noch gegen Rechtsstaatlichkeit, das ist die Position des Parlaments seit langem. Bei der Verteilung des 750-Milliarden-Pakets gegen die Corona-Schäden wolle das Parlament jetzt strengere Rechtsstaatsregeln durchsetzen, sagt der CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper: "Wir wollen die Zustimmung zum Haushalt mit der Frage nach den Europäischen Werten verbinden Wir brauchen doch Bedingungen, wofür die Riesensumme - 750 Milliarden im Corona-Wiederaufbau-Paket - verwendet wird."
Gelebte Demokratie als Voraussetzung für EU-Gelder
Pieper ist Mitglied im Haushaltskontrollausschuss. Der hat unzählige Beispiele aufgedeckt, wie EU-Fördergelder in Ungarn direkt in die Taschen der Freunde und Familienangehörigen von Regierungschef Victor Orban gehen.
Beim Corona-Hilfspaket geht es um neue Fördermittel - es ist das größte Konjunkturprogramm, das die EU je aufgelegt hat, und Pieper fordert, dabei müsse das Parlament mitreden können. "Mitreden heißt, Kontrolle der Gelder durch das Parlament und - ganz entscheidend - keine Blanko-Schecks für die nationalen Regierungen", so Pieper. Stattdessen solle in Klimaschutz und Jugend investiert und gelebte Demokratie eine Voraussetzung für EU-Gelder werden.
Kürzungen bei Einschränkungen der Pressefreiheit
Korruption soll künftig zur Kürzung von EU-Geldern führen, darüber herrscht Einigkeit in den Verhandlungen der Abgeordneten mit dem Rat der Mitgliedsländer. Auch andere Verstöße gegen Grundwerte sollen teuer werden. Etwa, wenn eine Regierung die Pressefreiheit einschränkt und Journalisten drangsaliert, wie in Bulgarien. Oder wenn eine Regierung Druck auf Richter ausübt, wie in Polen.
Das sei ein wichtiger Fortschritt, berichtet der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. Er ist bei den Verhandlungen dabei, sieht aber auch noch Probleme: "Es muss zumindest also noch mal Bewegung geben auf Ratsseite, dass das Verfahren nicht unbegrenzt in die Länge gezogen werden kann." Das sei eine der großen Sorgen des Europäischen Parlaments, wo man weiterhin dafür kämpfe, den Rat zu einer Entscheidung zu bewegen, so Freund.
Polen und Ungarn haben Veto angekündigt
Umstritten ist noch, mit welcher Mehrheit die Mitgliedsländer Kürzungen der Gelder beschließen können - etwa gegen Polen und Ungarn, die seit langem wegen Rechtsstaatsverletzungen am Pranger stehen. Beide Länder haben schon ihr Veto angekündigt, sie wollen die Auszahlung der Corona-Hilfsgelder stoppen, wenn die an die Einhaltung von Grundrechten gekoppelt werden.
Viele Abgeordnete reagieren gelassen auf die Drohung. Polen und Ungarn seien selbst auf die Unterstützung angewiesen, wegen der tiefen Rezession durch die Corona-Krise. Heute gehen die Verhandlungen in die vielleicht entscheidende Runde - der FDP-Abgeordnete Moritz Körner will zusammen mit den Unterhändlern der anderen Fraktionen dafür kämpfen, dass der Rechtsstaatsmechanismus kein Papiertiger wird.
Noch liegen die Positionen auseinander
"Wichtig ist, dass der Mechanismus nicht nur auf dem Papier besteht, sondern auch wirklich ausgelöst werden kann", so Körner. Diesbezüglich sei gegenüber dem Rat noch immer viel zu erreichen. "Wir wollen, dass dieser Mechanismus nicht einfach ausgesetzt werden kann, in dem der Rat gar nicht entscheidet", fordert Körner. Dafür werde das Parlament noch einmal in den Verhandlungen kämpfen.
Für den Rat der Mitgliedsländer sagte ein EU-Diplomat am Abend, man hoffe auf weitere Kompromisse mit den Abgeordneten, allerdings lägen die Positionen noch ein Stück auseinander.