Ratifizierung des neuen EU-Vetrags Merkel und Sarkozy wollen die Ersten sein
Nach der nächtlichen Einigung der EU-Regierungschef auf den neuen EU-Vertrag geben Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy Gas: Beide wollen den Vertrag noch vor Weihnachten durch ihre Parlamente bringen. Und kaum deutet sich an, dass die Reform unter Dach und Fach ist, werden auch Beitritte wieder Thema.
Nach der Einigung beim EU-Gipfel in Lissabon drückt Angela Merkel aufs Tempo. "Die Bundesregierung wird alles tun, die Ratifizierung sehr zügig zu machen", sagte die Bundeskanzlerin zum Abschluss des Gipfeltreffens. Noch vor Weihnachten solle der Vertrag dem Kabinett vorgelegt werden.
Merkel nannte den Reformvertrag "einen außerordentlich wichtigen Schritt in der Geschichte der erweiterten Union". Die EU sei damit wieder handlungsfähig. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, "Deutschland sollte den Ehrgeiz haben, zu den ersten zu gehören". Der Vertrag muss in allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden, bevor er in Kraft treten kann.
Auch in Frankreich soll das Parlament die Verträge bereits im Dezember ratifizieren. Er würde es begrüßen, falls sein Land zu den Vorreiterländern in der EU bei der Ratifizierung gehöre, sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy. Frankreich wolle sich nach dem gescheiterten Referendum zur EU-Verfassung vor zweieinhalb Jahre nun beispielhaft zeigen. Ein neues Referendum werde es zudem nicht mehr geben.
Einigung in der Nacht
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten den Reformvertrag in der Nacht angenommen und damit eine jahrelange Krise beendet. Der "Vertrag von Lissabon" soll am 13. Dezember in Lissabon unterzeichnet werden und vor den Europawahlen 2009 in Kraft treten. Er ersetzt die gescheiterte Verfassung.
Der nächtliche Durchbruch wurde einhellig begrüßt. Der portugiesische Regierungschef und EU-Ratspräsident José Socrates sagte, mit dem Vertrag habe die EU ihre institutionelle Krise überwunden. Europa komme nun endlich aus der Sackgasse. Bundesaußenminister Steinmeier sagte, die EU habe nun die "tiefe europäische Depression" hinter sich gelassen.
Krise wegen des doppelten "Nein"
Der neue Vertrag soll die EU effizienter machen. EU-Beschlüsse werden erleichtert, indem in vielen Fällen der Zwang zur Einstimmigkeit wegfällt, Kommission und Parlament werden verkleinert. Zudem erhält die EU einen auf zweieinhalb Jahre ernannten Ratspräsidenten sowie einen Hohen Repräsentanten für die Außenpolitik. Der britische Premierminister Gordon Brown sagte, er schließe "für viele Jahre" weitere Änderungen an den EU-Institutionen aus.
Kanzlerin Merkel sieht die EU nun für neue Beitritte gerüstet. Wenn der Reformvertrag wie geplant Anfang 2009 in Kraft trete, könne zunächst Kroatien davon profitieren. Mit den Beitrittswünschen anderer Balkanländer wird sich nach ihren Worten der slowenische EU-Vorsitz im ersten Halbjahr 2008 befassen. Unter anderem wollen sich Montenegro und Serbien langfristig der EU anschließen.
Kompromisse mit Polen und Italien
Vor allem Polen und Italien hatte bis zuletzt um Änderungen am Vertrag gefeilscht. Die polnische Regierung bestand auf der sogenannten Ioannina-Klausel, die es einer Minderheit von Staaten ermöglicht, bei knappen Mehrheitsbeschlüssen im EU-Ministerrat neue Verhandlungen zu erzwingen.
Die Klausel wird nun lediglich in eine weniger verbindliche Erklärung zum Vertrag aufgenommen und nicht - wie von Warschau gefordert - Bestandteil des Vertrags selbst. Darüber hinaus erhält Polen erstmals den festen Posten eines Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof.
Auch der italienische Ministerpräsident Romano Prodi setzte sich durch: Italien bekommt einen Sitz mehr im Europaparlament als ursprünglich vorgesehen. Demnach kommt Italien künftig wie Großbritannien auf 73 Sitze, Frankreich auf 74. Die Zahl der Mandate wird im Reformvertrag von 785 auf 750 verringert.