Europäische Krisenhilfen Drei-Säulen-Modell als Kompromiss?
Die Pandemie droht viele EU-Staaten in die Rezession zu stürzen - die Finanzminister versuchen, gegenzusteuern. Nach heftigem Streit über Corona-Bonds scheint eine Annäherung möglich. Finanzminister Scholz stellte dazu eine Drei-Säulen-Strategie vor.
Trotz des bitteren Streits über die Corona-Bonds hat sich wohl ein erster Kompromiss über die europäischen Finanzhilfen in der Corona-Krise angebahnt. Eurogruppen-Chef Mário Centeno sagte der "Süddeutschen Zeitung", er sehe "breite Unterstützung" für ein Paket aus drei Teilen. "Diese drei Maßnahmen bilden ein Sicherheitsnetz von etwa einer halben Billion Euro." Die Streitfrage gemeinsamer europäischer Schulden würde somit aufgeschoben bis zur Wiederaufbau-Phase nach der Corona-Krise.
Die EU-Staaten hatten sich bei einem Videogipfel vorige Woche über die Frage zerstritten, ob sogenannte Corona-Bonds - also gemeinsame europäische Anleihen zur Finanzierung der EU-Staaten - in der Krise nötig sind. Italien, Spanien und andere EU-Staaten sind für diese Corona-Bonds. Deutschland, die Niederlanden und weitere EU-Staaten sind dagegen. Die EU-Finanzminister sollen nun bis kommenden Dienstag neue Modelle entwickeln. Dann stünden Beratungen an.
Scholz stellt Drei-Säulen-Strategie vor
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa könnten Frankreich und Deutschland gemeinsam dieses von Centeno erwähnte Programm mit drei Pfeilern vorschlagen. Einen Einblick in die Drei-Säulen-Strategie gewährte Bundesfinanzminister Olaf Scholz bereits vor dem Treffen der EU-Finanzminister: "Mein Vorschlag ist, jetzt die vorhandenen Instrumente schnell und effektiv zu nutzen und eine gemeinsame europäische Antwort zu geben", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
So sollten Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, sich aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) "eine Summe zu leihen, die zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung entspricht", sagte Scholz. Damit könnten sie ihre Staatsfinanzen stabilisieren, ohne hohe Aufschläge zahlen zu müssen: "Für Italien wären das etwa 39 Milliarden Euro."
Außerdem solle die Europäische Investitionsbank in die Lage versetzt werden, nach dem Vorbild der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) "50 Milliarden Euro an Unternehmen zu verleihen, die das dringend benötigen", forderte der Vizekanzler.
Darüber hinaus müssten die EU-Mitglieder dabei unterstützt werden, mit plötzlich wachsenden Arbeitslosenzahlen umzugehen. "Die EU-Kommission hat dazu gerade Vorschläge vorgelegt, die an meine Idee einer Arbeitslosen-Rückversicherung erinnern", sagte Scholz. "Auch das hilft den Staaten, die Krise zu meistern."
Weiter sagte Scholz: "Wenn wir diese drei Instrumente einsetzen, wäre das ein ganz starkes Signal der Solidarität in Europa im Kampf gegen das Corona-Virus." Die Forderung Italiens und anderer EU-Staaten nach einer gemeinsamen Schuldenaufnahme im Rahmen von Corona-Bonds wies Scholz zurück. "Italien wünscht sich eine starke europäische Antwort auf die Pandemie - zu Recht, und die soll es auch geben."
Von der Leyen wirbt für "einigenden Vorschlag"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warb im ARD extra: "Wichtig ist, dass wir jetzt Instrumente haben, die schnell da sind, die wirksam sind und die Europa einen." Sie plädierte in der ZDF-Sendung "Was nun?" zudem für das Konzept "Sure" - dies sind von der EU-Kommission vorgeschlagene Hilfen von bis zu 100 Milliarden Euro für Kurzarbeit in den EU-Staaten. Das Konzept sei ein "einigender Vorschlag": "Das ist gelebte europäische Solidarität." Das Konzept sieht vor, dass die EU-Staaten Garantien über 25 Milliarden Euro zusagen. Mit dieser Rückendeckung will die EU-Kommission 100 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen und als Kredite an jene Staaten weitergeben, die sich selbst nicht so günstig finanzieren könnten.
Zur Nutzung des Eurorettungsschirms ESM sagte von der Leyen, bei den erwogenen Kreditlinien seien die Finanzminister "sehr tief im Gespräch" über die damit verbundenen Bedingungen. Darüber werde gerade verhandelt. Das mögliche Programm der Europäischen Investitionsbank EIB soll nationale Förder- und Geschäftsbanken bei kurzlaufenden Betriebsmittelkrediten und Brückenfinanzierungen bis zu 80 Prozent absichern.
Italien beharrt auf Euro-Bonds
EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis bestätigte, dass an einer Nutzung des ESM gearbeitet werde. "Wir sind der Ansicht, dass er unter den jetzigen Bedingungen genutzt werden sollte", fügte er hinzu. Auf eine Frage nach Corona-Bonds sagte Dombrovskis: "Wir prüfen alle politischen Möglichkeiten." Er betonte jedoch, dass vor allem dem nächsten europäischen Haushaltsrahmen besondere Bedeutung zukomme. "Das wird unser Marshall-Plan, um die Erholung zu finanzieren."
Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte beharrte dagegen weiterhin auf gemeinsamen europäischen Bonds und sprach nun von "Europäischen Wiederaufbau-Anleihen". In der Zeitung "La Repubblica" benutzte er das englische Wort "European Recovery Bonds". Der Begriff "Corona-Bonds" fiel nicht. Kritiker der Bonds führen auch an, dass ihre Einführung einen langen Vorlauf hätte. Conte dankte EU-Kommissionschefin von der Leyen insbesondere für den Vorschlag des Kurzarbeiter-Programms "Sure". Doch das reiche nicht, nötig sei ein gemeinsamer Aufbau-Plan.