Schwangerschaftsabbruch EU-Parlament fordert Abtreibung als Grundrecht
Abgeordnete des EU-Parlaments wollen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der Grundrechte-Charta verankern. Das würde alllerdings eine Einstimmigkeit aller 27 Mitgliedsstaaten erfordern. Die Aussichten dafür sind gering.
Das Parlament der Europäischen Union hat sich für die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Grundrechte-Charta der EU ausgesprochen. Eine Mehrheit von 336 Abgeordneten stimmte für eine entsprechende Resolution, 163 stimmten dagegen und 39 enthielten sich.
Die Abgeordneten rufen die EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, das Recht auf körperliche Selbstbestimmung in die im Jahr 2000 angenommene Charta der Grundrechte einzufügen. Das beinhalte einen freien, informierten, umfassenden und allgemeinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit - einschließlich sicherer und legaler Abtreibungen.
Schwangerschaftsabbrüche sollen demnach verpflichtender Teil des Medizinstudiums in allen EU-Ländern werden. Insbesondere ärmeren Menschen müsse der Zugang zu Verhütungsmitteln und Familienberatungen ermöglicht werden, heißt es in dem Antrag weiter. Für die Änderungen wäre eine Einstimmigkeit der EU-Mitgliedsstaaten nötig - der Antrag des Parlaments ist nicht bindend.
Deutsche Unterstützung für Resolution
Eingebracht wurde der Vorschlag von Abgeordneten der Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken sowie von einigen schwedischen Parlamentariern, die zur konservativ-christdemokratischen Gruppe der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören. Ein Gegenentwurf der EVP, der auf die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten verweist und mehr Unterstützung für Schwangere und Mütter verlangt, konnte sich nicht durchsetzen.
Zu den deutschen Unterstützerinnen der Resolution gehören Katarina Barley (SPD) und Terry Reintke (Grüne). Beide sind Spitzenkandidatinnen bei der kommenden Europawahl. "Das Grundrecht auf Abtreibung wird nicht nur auf der anderen Seite des Atlantiks eingeschränkt, auch in der EU steht das Recht von Frauen auf legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch auf der Kippe", erklärte Reintke nach der Abstimmung. Es sei höchste Zeit, dem Beispiel Frankreichs zu folgen und das Recht auf Abtreibung in der gesamten EU festzuschreiben.
Die Abgeordneten verurteilten in der Resolution insbesondere Polen und Malta für ihre Gesetze, die Schwangerschaftsabbrüche massiv einschränken.
Recht auf Abtreibung in Frankreich
Unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte zu Beginn der französischen EU-Ratspräsidentschaft im Januar 2022 angekündigt, den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in der Charta zu verankern. Frankreich hatte im März als erstes Land der Welt das Recht auf Abtreibung in seiner Verfassung verankert.
Auch das polnische Parlament befasst sich derzeit mit einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Die dortige Gesetzgebung ist bisher eine der strengsten in der EU. Ministerpräsident Donald Tusk hatte im Wahlkampf versprochen, Frauenrechte zu stärken und den Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch zu erleichtern.
"Jede polnische Frau wird selbst über ihre Mutterschaft entscheiden können", versprach Tusk im Herbst. Doch in den mittlerweile knapp fünf Monaten, in denen er das Land regiert, ist dieses zentrale Projekt noch nicht vorangekommen.
Katholische Bischöfe gegen das Vorhaben
Die Interessensvertretung der katholischen Bischöfe in Brüssel hatte den Vorstoß der EU-Abgeordneten vorab kritisiert. Das Recht auf Leben sei der Grundpfeiler aller anderen Menschenrechte, erklärte die Kommission der Bischofskonferenzen (COMECE). Eine Erleichterung der Abtreibung gehe zudem in eine "entgegengesetzte Richtung zur wirklichen Förderung der Frauen und ihrer Rechte".
Geringe Erfolgsaussichten
Die EU-Grundrechtecharta um ein neues Grundrecht zu ergänzen, ist sehr schwierig. Die Änderung würde unter anderem eine Einstimmigkeit unter den 27 Mitgliedsstaaten erfordern. Die Gesundheitsversorgung, einschließlich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, fällt zudem in die Zuständigkeit der einzelnen Staaten.