Albanien Oppositionsführer im Hausarrest
Sali Berisha prägt die Politik Albaniens seit dem Fall der kommunistischen Diktatur Anfang der 1990er-Jahre. Jetzt sitzt er im Hausarrest. Der Vorwurf: Korruption. Auch in seiner eigenen Partei ist er umstritten.
Anhänger von Sali Berisha halten eine Mahnwache vor dem Wohnhaus ihres politischen Anführers in Tirana. Sie rufen: "Berisha, du Held, das ganze Volk liebt dich." Sie protestieren gegen den Hausarrest für den Oppositionsführer. Und damit, in ihren Augen, für die Demokratie an sich.
"Es ist schön zu sehen, wie Bürger für die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sensibilisiert werden; zur Verteidigung der Ideale der Freiheit; zur Unterstützung des verfassungsmäßigen Existenzrechts der Opposition; und dafür das Justizsystem in diesem Land zu schützen." "In Albanien gibt es noch Bürger, die die Errichtung eines autokratischen Systems ablehnen, die Errichtung einer Republik wie unter Putin in Russland oder Lukaschenko in Belarus."
Ein Angeordneter aus Berishas Partei zündete im Parlament eine Rauchbombe, um gegen die Aufhebung von dessen Immunität zu protestieren
Tochter muss für Berisha sprechen
Sali Berisha zeigt sich am Fenster. Reden kann er nicht mit seinen Anhängern. Ganz praktisch nicht, weil seine Wohnung im 13. Stockwerk liegt. Aber auch sonst nicht: Berisha darf vorerst nur mit seiner Familie und seinem Anwalt sprechen. So hat es ein Sondergericht angeordnet, das für Korruption und organisierte Kriminalität zuständig ist. Damit ist ein wichtiger Teil der Opposition tatsächlich mundtot.
Derweil fungiert Berishas Tochter Argita als Sprachrohr ihres Vaters. Sie wähnt das Land in einem Freiheitskampf. "Kein Diktator kann euren freien Seelen etwas entgegensetzen. Es gibt keine Handschellen des Systems, die eure Freiheit einsperren können", sagt sie. "Ihr seid die Missionare dieses Kampfes, der sich von dieser Gasse auf alle Straßen und Gassen Albaniens ausbreiten wird."
Politische Fronten verhärtet
Die Politik in Albanien besteht im Wesentlichen aus zwei Kräften: Der Demokratischen Partei Albaniens von Sali Berisha und der Sozialistischen Partei von Regierungschef Edi Rama. Die beiden Parteien verfolgen außenpolitisch ähnliche Ziele, etwa den EU-Beitritt Albaniens. Doch innenpolitisch stehen sie sich nahezu feindschaftlich gegenüber.
Die politische Kultur gilt als konfrontativ. Während die Sozialisten die Nachfolger der Partei der Arbeit des Diktators Enver Hoxha sind, war Berisha der erste frei gewählte Präsident nach dem Sturz der Diktatur. Nun wirft er den Sozialisten vor, einen Rachefeldzug gegen ihn zu führen.
Der sozialistische Ministerpräsident Edi Rama hingegen betont die Unabhängigkeit der Justiz: "Es wird niemals der Tag kommen, nirgendwo, an dem nicht irgendwelche Leute versuchen werden, die Justiz zu umgehen und das Gesetz zu brechen. Deswegen wird niemals der Tag kommen, an dem wir die Justiz nicht brauchen. Diese beiden Sachen laufen parallel."
Berisha auch in eigener Partei umstritten
Die albanische Justiz wirft Berisha vor, die Privatisierung eines staatlichen Sportkomplexes zugunsten seines Schwiegersohns betrieben zu haben. Auch der sitzt im Hausarrest. Berisha beteuert seine Unschuld und arbeitet nicht mit den Behörden zusammen. Auch das US-Außenministerium hat Berisha allerdings wegen Korruptionsverdachts schon 2021 auf eine Sanktionsliste gesetzt.
Der 79-Jährige prägt seit Jahrzehnten maßgeblich die Politik des Landes an der Adria. Als Präsident, Oppositionschef und schließlich auch als Ministerpräsident. Unumstritten ist er allerdings nicht. Die Fraktion der Demokraten im Parlament hat sich gespalten. Momentan kämpft Berisha vor Gericht darum, welcher Teil sich rechtmäßig als die Demokratische Partei bezeichnen darf.
Beobachter werfen ihm vor, reformunwillig zu sein und nicht von der Macht lassen zu können, obwohl seine Zeit abgelaufen sei. Seine Anhänger hingegen sehen ihn als letzten Garanten der freien Meinungsäußerung unter dem Sozialisten Edi Rama: "Diese Situation muss unbedingt enden, und das beginnt heute mit dieser spontanen Zusammenkunft. Und es werden viele weitere Aktionen folgen, in den nächsten Tagen."